Immer mehr Studien zeigen, dass der Klimawandel der Gesundheit schadet. Vor allem neurologisch. Was unter anderem das Alzheimer-Risiko erhöht.
Klimawandel
MRT-Scan von einem Gehirn mit Alzheimer (r.) und gesundem Gehirn. - University of Cambridge/AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Klimawandel hat weitreichende Auswirkungen. Auch auf die Gesundheit der Menschen.
  • Besonders gefährdet ist das Gehirn.
  • So zeigen neue Studie, dass Hitze das Risiko von neurologischen Krankheiten erhöht.
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Im Oktober 2012 traf der Sturm «Sandy» mit voller Wucht auf New York City. Er hinterliess nicht nur materiellen Schaden, sondern forderte zahlreiche Menschenleben. Doch das verheerende Naturereignis bot auch eine einzigartige Forschungsgelegenheit.

Die kognitive Neurowissenschaftlerin Yoko Nomura war dabei, eine Studie mit schwangeren Frauen aus New York durchzuführen. Sie wollte den Einfluss von Stress auf ungeborene Kinder untersuchen. Mit dem Auftreten des Sturms stellte sich ihr jedoch eine neue Frage. Wie wirkt sich ein solches Ereignis auf die Schwangerschaft aus?

Mehr als zehn Jahre später hat sie ihre Antworten gefunden.

Sturm-Babys haben hohes Risiko für psychische Krankheiten

Kinder, die während Sturm Sandy im Mutterleib waren, haben heute ein unverhältnismässig hohes Risiko für psychische Erkrankungen. Mädchen, die dem Sturm vor der Geburt ausgesetzt waren, hatten beispielsweise ein 20-fach erhöhtes Angstrisiko. Ihr Depressionsrisiko war sogar 30-fach erhöht.

Jungen hatten ein 60-fach erhöhtes Risiko für ADHS und ein 20-fach erhöhtes Risiko für Verhaltensstörungen. Die Symptome dieser Zustände zeigten sich bereits im Vorschulalter. «Unsere Ergebnisse sind äusserst alarmierend», sagt Forscherin Nomura.

Nomuras Forschungsergebnisse reihen sich ein in eine Liste von Erkenntnissen über die Auswirkungen des Klimawandels auf unser Gehirn. Steigenden Temperaturen, extreme Wetterereignisse und erhöhte CO₂-Konzentrationen in der Atmosphäre: All diese durch fossile Brennstoffe verursachten Veränderungen beeinflussen unsere Gesundheit.

Klimawandel macht uns geistig langsamer

Immer mehr Neurowissenschaftler versuchen, Verbindungen zwischen Umwelt und neurologischer Gesundheit herzustellen. Das Feld – das als klimatologische Neuroepidemiologie bezeichnet wird – steckt noch in den Kinderschuhen.

Klar ist aber schon heute, dass der Klimawandel unser Gehirn beeinflusst. Vielleicht haben Sie auch schon bemerkt, dass Ihr Denken an schwüleren Tagen träge wird. Das ist kein Zufall – es handelt sich um ein nahezu universelles Phänomen.

Während einer Hitzewelle im Sommer 2016 in Boston, USA zeigten Epidemiologinnen der Harvard University den Effekt von Klimaanlagen in Wohnheimen. Studierende ohne schnitten bei standardisierten kognitiven Tests langsamer ab.

Neurologe
Der Klimawandel hat grosse Auswirkungen auf das menschliche Gehirn, sagen immer mehr Neurologen. (Symbolbild)
klimatologische Neuroepidemiologie
Das Feld – das man als klimatologische Neuroepidemiologie bezeichnen könnte – steckt allerdings noch in den Kinderschuhen.
Resilienzforschung
Es muss mehr Geld und Zeit in die Forschung investiert werden.
Krankheiten werden wahrscheinlicher
Fest steht aber, dass gewisse Krankheiten mit der globalen Erwärmung wahrscheinlicher werden.

Der Klimawandel hat auch sogenannte neurodegenerative Auswirkungen – heisst: Ist man Hitze langzeitig ausgesetzt, kann das viele biochemische Prozesse auslösen. Diese stehen mit Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson in Verbindung.

Neurowissenschaftlerin Burcin Ikiz mahnt: «Wir denken nicht darüber nach. Wir bereiten unsere Gesundheitssysteme nicht darauf vor. Wir tun nichts in Bezug auf Prävention oder Schutz.»

Expertin fordert mehr Forschung zu Klimawandel und menschlichem Gehirn

Auch Hirnforscherin Nomura fordert mehr Forschung auf dem Gebiet. Sie möchte verstehen, wie äussere Umwelteinflüsse die Gehirngesundheit und kognitive Entwicklung beeinflussen; wer am anfälligsten für diese Einflüsse ist und wann; und welche präventiven Strategien die neurologische Widerstandsfähigkeit gegenüber klimabedingten Stressfaktoren stärken könnten.

Machen Ihnen die weltweiten Hitzerekorde Sorgen?

Übrigens: Der Klimawandel hat sogar Auswirkungen auf die Zeit. Eine kürzlich in der Fachzeitschrift «Nature» veröffentlichte Studie zeigt auf, dass das Abschmelzen der Polareiskappen die Erdrotation beeinflusst. Und somit auch unsere Zeitmessung.

Bereits vor über einem halben Jahrhundert führten geringfügige Änderungen in der Erdrotation zur Einführung des Konzepts der «Schaltsekunde». Der Klimawandel macht die Berechnungen noch komplizierter. In nur wenigen Jahren könnte es notwendig sein, eine «negative Schaltsekunde» einzuführen. Diese würde dazu dienen, die Erdrotation mit der Weltzeit synchron zu halten.

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