Lärm, Drohungen und Beschimpfungen von den Nachbarn: Der Umzug in eine neue Wohnung wurde für ein Berner Paar zum Albtraum.
Wohnung
An die Zeit in ihrer alten Wohnung denken die beiden nicht gerne zurück. - Nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine achtköpfige Familie macht einem jungen Berner Paar das Leben schwer.
  • Die Familie ist derart laut, dass die beiden an ihre Grenzen kommen.
  • Von der Verwaltung fühlt sich das Paar arg im Stich gelassen.
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Es sollte ein ganz besonders glückliches Jahr werden für Selina (33) und Marc (37) Brunner* aus Bern. Doch statt sich in Ruhe auf die Geburt ihres ersten Kindes vorbereiten zu können, ging das Ehepaar durch die Mieter-Hölle – mit Schikane und Drohungen.

Der Grund: Der Umzug in eine 4,5-Zimmer-Wohnung in einem Vorort von Bern. Endlich hatten die beiden ihre vermeintliche Traum-Mietwohnung gefunden. Mit Platz für ein Kinderzimmer und direkte Verbindung in den Garten für die beiden Katzen. Doch die Freude währt nur kurz.

Denn unmittelbar nach ihrem Einzug bemerken sie, dass es besonders abends in der 4,5-Zimmer-Wohnung im Stock über ihnen extrem laut wird. «Uns fuhr gefühlt ein Güterzug durch die Wohnung», schildert Selina das Rumrennen und Rumschreien der sechs Kinder.

Vom Nachbar bedroht und beschimpft

Die beiden wollen das nicht auf sich sitzen lassen und gehen bei der achtköpfigen Familie läuten. «Um sich ganz freundlich zu beschweren, und um etwas Ruhe zu bitten», so Selina, die damals im sechsten Monat schwanger war. Doch die Familie zeigt überhaupt kein Verständnis. «Beim dritten Mal schnauzte der Familienvater uns derart an, dass wir entschieden, unseren Verwalter zu informieren.»

Doch obwohl der Verwalter der Privera AG beteuert, er habe mit der Familie gesprochen und sie zur Rücksichtnahme ermahnt, passiert nichts. Abend um Abend wiederholt sich das Geschrei. Marc wird sogar vom Vater der Familie bedroht. Er werde ihn anzeigen, sagte er. «Wir hatten Angst, dass er zum Beispiel den Katzen etwas antun könnte.» Der Familienvater sei regelrecht ausgerastet.

Paar
Das Paar ist froh, nicht mehr in die alte Wohnung zurückgehen zu müssen.
Erdgeschoss-Wohnung
Nun haben sie zwar keine Erdgeschoss-Wohnung mehr, dafür Ruhe.

Selina erinnert die Verwaltung an ein klärendes Gespräch mit der Familie, das sie zusammen führen wollten. Doch es passiert wiederum nichts. Zur Sicherheit beginnt das Paar, ein Lärmprotokoll zu führen. «Unsere Nerven lagen schon nach wenigen Wochen in dieser Wohnung blank, es war richtig beschissen», sagt Selina.

Polizei im Haus

Der Gipfel der Frechheit: Eines Abends steht die Polizei bei Selina und Marc vor der Tür. Der Grund: Der Nachbar hatte sie gerufen, weil Marc sich erneut wegen der Kinder beschwerte. «Das ist doch verkehrte Welt», sagt das Paar.

Das merken auch die Beamten. «Es war so laut, dass sich die Polizisten gar nicht mit dem Vater unterhalten konnten.» Sie raten dem Paar, sich an den Mieterverband zu wenden. «Vor allem, weil wir vor dem Einzug nicht informiert wurden, dass über uns eine achtköpfige Familie wohnt.»

Hatten Sie schon einmal einen Nachbarschaftsstreit?

Dann plötzlich ein Hoffnungsschimmer: Der Verwalter informiert die beiden, die Familie habe die Wohnung gekündigt. «Wir hatten extrem Freude und haben uns gesagt ‹gut, jetzt einfach die Zähne zusammenbeissen›. Pünktlich auf die Geburt unseres Sohnes sind sie raus.»

Ein Leben in Angst

Doch der Schock folgt bald: Wenige Wochen später zieht die Familie ihre Kündigung zurück. «Eine achtköpfige Familie findet logischerweise nicht einfach so eine neue Wohnung innerhalb weniger Wochen», so Selina. Die beiden sind am Boden zerstört. Von der Verwaltung heisst es, ihr seien leider die Hände gebunden. Sie könne nicht einfach eine achtköpfige Familie vor die Tür stellen.

Sie versuchen es noch einmal mit einem klärenden Gespräch mit der Verwaltung und der Familie. Doch auch das endet mit einem Dämpfer: Es muss sogar frühzeitig abgebrochen werden. Mittlerweile behauptet sogar der Verwalter, das Paar sei lärmempfindlich. «Das war für uns blanker Hohn», sagen die beiden.

Jetzt wollen die beiden nur noch eins: möglichst schnell raus aus der einstigen Traum-Wohnung. Der Vorschlag von Mieterverband und Rechtsschutz, eine Mietzinsreduktion einzufordern, reicht ihnen nicht. «Wir fühlen uns vertrieben», sagen die beiden.

Mieter wechseln jährlich

Immerhin: Durch den Hinweis einer Freundin finden sie kurze Zeit später eine neue Wohnung. «Leider aber teurer und ohne Garten.» Zwar seien sie froh, nun endlich Ruhe zu haben. Aber: «Das Ganze hat uns sehr viel Energie gekostet. Wir sind enttäuscht und frustriert, von der Verwaltung derart im Stich gelassen worden zu sein.»

Wohnungen
Wohnungen bleiben ein knappes Gut in der Schweiz. So sind die Mietpreise für Wohnungen im ersten Quartal weiter gestiegen. (Symbolbild) - sda - KEYSTONE/APA/APA/BARBARA GINDL

Was sie besonders stört: Im Nachhinein haben die beiden erfahren, dass die Mieter in dieser Wohnung jährlich wechseln. Selina und Marc sind also nicht die ersten, die von der Familie vergrault wurden. «Und die nächsten werden in den gleichen Hammer laufen, das finde ich schlimm», sagt Selina.

Auch Lärm gilt als Mangel

Auf die Anfrage von Nau.ch erklärt die Privera AG, sie dürfe aus Datenschutzgründen keine Stellungnahme zu Mietverhältnissen abgeben. Die Medienstelle schreibt lediglich: «In Wohnüberbauungen entstehen aus verschiedenen Gründen Nachbarschaftsstreitigkeiten. Als Bewirtschaftungsunternehmen tragen wir im möglichen Rahmen zur Schlichtung dieser Konflikte bei und sind immer an einer Lösungsfindung interessiert.»

Auf die Frage, wie es nun mit der Wohnung weitergehe, geht Privera ebenfalls nicht ein.

Fabian Gloor, Jurist beim Mieterinnen- und Mieterverband Deutschschweiz, erklärt, dass man als Mieter Anspruch auf eine «gebrauchstaugliche Wohnung» habe. «Ist diese nicht vorhanden, spricht man von einem Mangel, das gilt auch bei Lärm und Drohungen.» Entsprechend habe man Anrecht darauf, dass der Vermieter interveniere.

Denn: «Als Mieter ist man zu Rücksichtnahme und Sorgfalt gegenüber den Nachbarn verpflichtet», erläutert Gloor. In diesem konkreten Fall könne er nachvollziehen, dass die Verwaltung zurückhaltend reagiert habe. Denn die Gerichte seien sehr vorsichtig bei Urteilen zu Kinderlärm.

Gloor findet jedoch, dass man in einem solchen Fall klar prüfen müsste, ob nicht eine Mietzinsreduktion geschuldet sei. Diese haben Selina und Marc trotz Anfrage nie erhalten.

*Namen von der Redaktion geändert

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