Nau.ch-Kolumnist Daniel Koch war im März in Kiew unterwegs. Die Anzahl der gefallenen Ukrainer ist offensichtlich grösser geworden.
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Anfang März war Daniel Koch trotz Ukraine-Krieg in Kiew. In seiner Nau.ch-Kolumne teilt er seine Eindrücke. - zVg / Daniel Koch

Das Wichtigste in Kürze

  • Putin ist bereit, seine grössenwahnsinnigen Ambitionen bis zum bitteren Ende durchzusetzen
  • Bis dahin werden zahlreiche ukrainische, aber auch russische Soldaten in den Tod geschickt
  • Zögern und Abwägen des Westens ermutigen den Diktator, seine Machtansprüche auszubauen
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Wladimir Putin ist ein narzisstischer Psychopath – das ist meine persönliche Einschätzung. Ich bin in meiner beruflichen Tätigkeit beim Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) ähnlichen Charakteren in Gefängnissen begegnet. Ich habe mich damals dafür eingesetzt, dass auch solche Verbrecher menschlich behandelt werden.

Das sind wir dem humanitären Völkerrecht, den Menschenrechten und der Rechtsstaatlichkeit schuldig. Solche Menschen wie Putin dürften aber nie an die Macht kommen.

Denn sie werden zu Massenmördern, die keine Gesetze respektieren. Sie sind absolut unfähig zu Selbstzweifel oder Selbstkritik.

In ihrer Wahrnehmung machen sie nie etwas falsch. Sie verfolgen bis zum bitteren Ende ihre grössenwahnsinnigen Ambitionen und können durch nichts zur Vernunft gebracht werden. Putins Machtapparat wird nur durch eine klare Niederlage im Krieg gegen die Ukraine gestoppt werden.

Ukraine kämpft auch für die Werte des demokratischen Westens

Ich war Anfang März in Kiew und habe mit Schrecken und Trauer festgestellt, dass das Feld der Fähnchen auf dem Maidan Platz innerhalb eines Jahres um vieles grösser und dichter geworden ist. Angehörige stecken für jeden gefallenen ukrainischen Soldaten ein Fähnchen in den Rasen.

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Der Maidan-Platz in der ukrainischen Hauptstadt Kiew dient den Menschen dazu, ihrer gefallenen Angehörigen zu gedenken. - zVg / Daniel Koch

All diese Menschen haben ihr Leben geopfert, nicht für Geld, sondern für die Freiheit und Werte der Ukraine und des gesamten, demokratischen Westens. Diesen Kampf wollten weder sie noch die ukrainische Führung.

Der Rote Platz in Moskau wäre übersäht

Diesen Krieg wollen nur Putin und seine menschenverachtende Entourage. Er schickt Tausende russische Soldaten in den Tod, als handle es sich um ein Videospiel, bei dem man einfach einen «Replay»-Knopf drückt.

Glauben Sie an ein baldiges Ende des Ukraine-Kriegs?

Ich habe noch kein Bild mit Fähnchen der russischen Gefallenen gesehen, aber ich bin mir sicher, der Rote Platz in Moskau wäre übersäht.

Ich stelle mir vor, wie Putin auf ein solches Meer von Fähnchen schaut und sich freut, dass er so viel Macht hat und noch hunderttausend Menschenleben mehr opfern kann. Und der Westen zittert vor ihm.

Ukraine-Krieg: Leben mit der Angst im Nacken

Auch ich kann nicht vergessen, dass Russland Atomwaffen hat. Aber Putin wird diese Terrorinstrumente dann benutzen, wenn er für sich damit einen Vorteil ausrechnen kann. Was der Westen und die Nato auch immer unternehmen, spielt dabei eigentlich keine Rolle.

Wie zynisch Putin mit der Gefahr einer nuklearen Katastrophe umgeht, ist mir bei meinem Aufenthalt in Kiew bewusst geworden, als ich mit Vertretern der Gesundheitsbehörden aus Saporischschja sprach.

Seit zwei Jahren leben sie mit der Angst im Nacken, dass das grösste AKW Europas von den Russen, die das Gelände besetzen, in die Luft gesprengt wird. Auch der beste Evakuierungsplan wird wohl kaum ausreichen, um die Bevölkerung zu schützen.

Ganzes Land ist wieder Ziel russischer Bomben

Ich hatte in Kiew Glück, denn es war eine sehr ruhige Woche mit nur wenigen russischen Raketen- und Bombenangriffen.

Die Hauptstadt war gerade nicht das Ziel, zivile Tote und Verletzte gab es leider im Süden rund um die Hafenstadt Odessa. Seit zwei Wochen wird aber das ganze Land wieder mit Bomben, Raketen und Drohnen zugedeckt, mit immer mehr zivilen Opfern.

Letzten Sommer noch konnte ich das kleine Städtchen Druschba im Nordosten der Ukraine besuchen. Leider ist das jetzt nicht mehr möglich. Im Herbst brannte das Rathaus wegen einer Bombe zum ersten Mal ab.

Letzte Woche schlug dann eine riesige Bombe erneut mitten im Stadtzentrum ein und hinterliess einen enormen Krater sowie Bruchstücke der Fassade des Rathauses.

Nach einem Bombeneinschlag in Druschba bleibt nur ein grosser Krater und sehr viel Zerstörung. - zVg

Man kann sich kaum vorstellen, mit welchen Ängsten die verbleibende Bevölkerung diesen russischen Terror erlebt.

Der Westen muss so schnell wie möglich diesen wahnsinnigen, zynischen Putin stoppen. Dieser russische Diktator versteht nur die Sprache der Stärke und jedes Zögern und Abwägen interpretiert er als Aufforderung, seine Machtansprüche auszubauen und durchzusetzen.

Die neue Weltordnung, die er sich vorstellt, ist eine Welt des Horrors, des Machtmissbrauchs und gepflastert mit Fähnchen für tote Soldaten und Zivilisten.

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Zum Autor: Daniel Koch war zwischen 2008 und 2020 Leiter der Abteilung Übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit (BAG). Er ist der Öffentlichkeit als «Mister Corona» bekannt und schreibt nun regelmässig Kolumnen auf Nau.ch. Koch lebt im Kanton Bern und hat im letzten Jahr die Ukrainerin Natalia geheiratet.

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