Streckmittel verschlimmert negative Effekte von Kokain aufs Hirn

Wenn Kokain das Streckmittel Levamisol enthält, schädigt dies das Gehirn noch zusätzlich. Levamisol ist eigentlich ein Tierentwurmungsmittel.

Ein Häufchen Kokain auf einem Tisch. (Symbolbild) - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Kokain wird für den Handel auf der Strasse oft gestreckt.
  • Eine Untersuchung zeigt, dass bei Konsumenten teilweise die Hirnrinde durch Streckmittel signifikant dünner wird.

Kokain wird für den Handel auf der Strasse oft mit dem Tierentwurmungsmittel Levamisol gestreckt. Eine Studie Zürcher Forschender zeigt nun, dass das Streckmittel womöglich das Gehirn verändert und damit die negativen Folgen des Kokainkonsums noch verschlimmert.

Wenn Kokain das Streckmittel Levamisol enthält, schädigt dies das Gehirn noch zusätzlich. Zu diesem Schluss kommt eine Untersuchung von Forschenden der Psychiatrischen Universitätsklinik und der Universität Zürich, wie die Hochschule am Mittwoch mitteilte. Die Studienautoren plädieren daher zwecks Schadensbegrenzung für den Ausbau von sogenannten Drug-Checking-Programmen in der Schweiz, bei denen Konsumenten anonym die Reinheit des Kokains testen lassen können.

Levamisol ist eigentlich ein Tierentwurmungsmittel. Wie auch gewisse Schmerzmittel und Koffein wird es aber auch als Streckmittel für Kokain eingesetzt. Bekannt sind bereits starke Nebenwirkungen auf das Blutbild und die Gefässe. «Chronische Konsumenten können zum Beispiel schlecht heilende Wunden entwickeln», erklärte Studienleiter Boris Quednow im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Schäden am Nervensystem

Aufgrund von früheren Studien und Ergebnissen aus Tierversuchen vermutete man auch bereits, dass das Tierentwurmungsmittel beim Menschen Schädigungen des Nervensystems verursachen könnte. «Levamisol war auch mal für den Menschen zugelassen, als Entwurmungsmittel und als Zusatz bei manchen Krebstherapien», so Quednow. Dabei zeigten sich Veränderungen an der weissen Hirnsubstanz. «Ob das Mittel die kognitive Leistung beeinträchtigt, hatte aber bisher niemand überprüft.»

Quednow und Kollegen liefern mit ihrer Studie im Fachblatt «Translational Psychiatry» nun den Nachweis. Dafür untersuchten die Wissenschaftler zunächst Haarproben von 75 Probanden, um ihren Kokainkonsum und Levamisolbelastung einzuschätzen. Aufgrund dessen unterschieden sie eine Gruppe von 26 Kokainkonsumenten mit geringer Levamisolbelastung und 49 mit hohen Werten.

Anschliessend unterzogen sie die Probanden - und zum Vergleich 78 Nichtkonsumenten - verschiedenen Tests, um ihre kognitive Leistungsfähigkeit zu überprüfen. Die Kokainkonsumenten schnitten deutlich schlechter ab als die Nichtkonsumenten. Noch stärker beeinträchtigt waren jedoch jene Kokainnutzer mit hohen Levamisolwerten, und zwar bei den Tests, die ihre höheren Planungsfunktionen prüften.

Dünnere Hirnrinde

Eine Untersuchung der Hirnstruktur der Probanden zeigte ausserdem, dass bei den Drogenkonsumenten mit hohen Levamisolwerten die Hirnrinde des mittleren Stirnhirns signifikant dünner war als bei jenen mit niedrigen Werten. Dies sei eine Hirnregion, die eben für höhere Planungsfunktionen eine Rolle spielt, schrieb die Universität Zürich.

Andere Ursachen für die beobachteten Effekte konnten die Forschenden grösstenteils ausschliessen, wie Quednow gegenüber der Keystone-SDA bestätigte. «Die beiden Gruppen der Kokainkonsumenten - mit hohen und mit niedrigen Levamisolwerten - unterschieden sich nicht in ihrem Kokainkonsum oder ihrem Einkommen.» Zudem sei das stark mit Levamisol gestreckte Kokain nicht günstiger gewesen.

Entwurmungsmittel in Kokain

Warum es überhaupt als Streckmittel verwendet wird, sei nicht klar. Eventuell solle es eine höhere Reinheit vortäuschen, oder aber die Wirkung des Kokains verstärken oder verlängern. «Zu der Zeit, als wir die Studie durchgeführt haben, war Levamisol in den meisten Kokainproben vorhanden», so der Forscher. In den letzten zwei Jahren sei das Entwurmungsmittel in Schweizer Kokainproben aber deutlich zurückgegangen. «Den Grund dafür kennen wir nicht, es könnten Schwankungen sein und es könnte wieder häufiger in den Proben auftauchen.»

Da Levamisol das Gehirn von Kokainkonsumenten also offenbar zusätzlich zu den negativen Effekten der Droge selbst schädigt, plädiert Quednow für Schadensbegrenzung. Sogenannte «Drug-Checking-Programme», wie es sie bereits in Basel, Bern und Zürich gibt, bieten Konsumenten anonym die Möglichkeit, ihr gekauftes Kokain testen zu lassen. Solche Programme sollten laut den Forschenden ausgebaut werden.