Wie das Tessin zur Schweiz kam

Der Kanton Tessin ist heute fest in der Schweiz verankert, doch das war nicht immer so. Die Geschichte des Tessins ist geprägt von Kämpfen und fremden Mächten.

Bellinzona war im 18. Jahrhundert ein Untertanengebiet der Eidgenossen. Im Bild: Bellinzona Castelgrande. - Switzerland Tourism / Jan Geerk

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Weg des Tessins zur Schweiz war konfliktreich.
  • Das Tessin war einst ein Untertanengebiet der Alten Eidgenossenschaft.
  • Die Tessiner wollten nicht Untertanen, sondern gleichberechtigte, freie Schweizer sein.
  • 1848 wurde das Tessin schliesslich Teil des Schweizer Bundesstaats.

Der Kanton Tessin gehört heute selbstverständlich zur Schweiz. Doch der Weg dahin war voller Konflikte und Machtkämpfe, die bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen. Erst im 18. Jahrhundert – mit der Französischen Revolution und Napoleons Einfluss in Europa – veränderte sich die Lage.

Die Bevölkerung sehnte sich nach Freiheit und Selbstbestimmung. Statt Untertanen zu sein, wollten die Tessiner gleichberechtigt in der Eidgenossenschaft leben. Sie wollten als freie Schweizer anerkannt werden.

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Das sind die wichtigsten Stationen des Tessins auf dem Weg zu einem gleichberechtigten Kanton in der Schweiz.

Fremdherrschaft durch die Eidgenossen

Die Eidgenossen eroberten bis 1521 vom Herzogtum Mailand das Gebiet vom Gotthardpass bis nach Chiasso. Doch das Tessin wurde zunächst nicht wie ein gleichberechtigter Kanton behandelt.

Die Region war ein sogenanntes Untertanengebiet und wurde von Landvögten regiert, die von den einzelnen Orten der Eidgenossenschaft gestellt wurden.

Heute gehört das Tessin selbstverständlich zur Schweiz dazu. Im Bild: Monte Bre, Lugano. - Switzerland Tourism / Silvano Zeiter

Diese Landvögte verwalteten das Tessin oft mit harter Hand. Die Tessiner mussten als Untertanen der Eidgenossen Kriegsdienst und Abgaben leisten. Die Bevölkerung hatte kaum Mitspracherecht und sah die Eidgenossen damals eher als Fremdherrscher denn als Verbündete.

Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts kam Bewegung in die Situation. Mit der Französischen Revolution und Napoleons Aufstieg veränderten sich die politischen Landschaften Europas grundlegend.

Französische Revolution

1797 gründete Napoleon nach seinem Italienfeldzug in Norditalien die Cisalpinische Republik, basierend auf Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Dieses Verständnis sollte auch auf die umliegenden Gebiete ausgeweitet werden.

Die Cisalpinische Republik umfasste grosse Teile Norditaliens, darunter die Lombardei, Emilia-Romagna und Teile des Veneto. Auch das bünderische Veltlin wurde in die Cisalpinische Republik integriert.

Die Cisalpinische Republik im Jahr 1799. - The Cambridge Modern History Atlas. Wikimedia Commons

Diese Veränderungen auf der politischen Landkarte nahmen die Tessiner als Anlass, um gegen die Fremdverwaltung durch die Eidgenossen zu putschen. Wollten sie die Eidgenossen loswerden und ebenfalls Teil der Republik Napoleons werden?

Zugehörigkeit zur Schweiz – aber nicht als einheitlicher Kanton

Nein, die Tessiner hatten andere Pläne. Sie wollten zwar die eidgenössische Fremdherrschaft loswerden, sich danach allerdings nicht einer neuen Herrschaft unterordnen. Sie wollten Teil der Schweiz sein – aber nicht als Untertanen, sondern als freie Schweizer.

Als Zeichen der Zugehörigkeit zur Schweiz wurde am 15. Februar 1798 in Lugano ein Freiheitsbaum errichtet, gekrönt mit einer Tellenmütze.

Das Tessin bestand damals aus acht Untertanengebieten: Bellinzona, Blenio, Leventina, Locarno, Lugano, Mendrisio, Vallemaggia, Riviera. Im Bild: Piazza Grande in Locarno. - Switzerland Tourism / Markus Buehler-Rasom

Das Tessin war damals aber kein einheitlicher Kanton, sondern in acht verschiedene Untertanengebiete, sogenannte Vogteien, aufgeteilt. Nachdem Lugano seine Zugehörigkeit zur Schweiz bekundet hatte, schlossen sich auch die anderen Gebiete diesem Vorhaben an.

Die einzelnen Untertanengebiete unterschieden sich wesentlich voneinander und wollten sich nicht zusammenschliessen. Deshalb gab es noch immer keinen einheitlichen Kanton Tessin.

Während der Helvetischen Republik von 1798 bis 1803 wurde das Gebiet erstmal in zwei Kantone aufgeteilt: die Kantone Lugano und Bellinzona.

Zusammenschluss des Tessins und neue Bedrohungen

1803 wurde die Eidgenossenschaft durch Napoleon als föderaler Staatenbund neu gegründet. Dabei wurden auch die beiden Teilgebiete des Kantons Tessin vereint.

Das Tessin ist heute ein beliebtes Ausflugsziel. Im Bild: Kirche Madonna del Sasso mit Sicht auf Locarno und Lago Maggiore, Orselina. - Switzerland Tourism / Ivo Scholz

Doch schon 1815 wurde Tessins Einheit wieder bedroht: Einige eidgenössische Kantone wollten nämlich ihre alten Gebiete zurück, darunter der Kanton Uri. Die Tessiner Regierung konnte diese Ansprüche knapp abwehren. 1848 wurde Tessin schliesslich Teil des neu gegründeten Schweizer Bundesstaats.

Entscheidung: Zugehörig zu Italien oder der Schweiz?

Trotzdem war die Zugehörigkeit des Tessins zur Schweiz noch immer umstritten. Im 19. Jahrhundert, als in Italien die Bewegung zur nationalen Einheit an Fahrt aufnahm, hatten auch viele Tessiner Sympathien für das Nachbarland. Die Nähe zur italienischen Kultur und Sprache führte dazu, dass manche Tessiner eine stärkere Bindung zu Italien empfanden.

Dennoch blieb die Mehrheit der Tessiner Bevölkerung loyal zur Schweiz. Es war eine bewusste Entscheidung der Bevölkerung, die sich der Freiheit und Autonomie in der Eidgenossenschaft verbunden fühlte.

Niemand bezweifelt mehr die Zugehörigkeit des Tessins zur Schweiz. Im Bild: Kirche von Ronco sopra Ascona über dem Lago Maggiore. - Switzerland Tourism/Markus Buehler-Rasom

Heute ist das Tessin ein unverzichtbarer Teil der Schweiz. Kaum ein Tessiner wünscht sich ernsthaft eine Zugehörigkeit zu Italien. Auch die restliche Schweiz möchte das Tessin nicht missen. Das Tessin ist heute eine Brücke zwischen Nord und Süd – fest verankert in der Eidgenossenschaft.