Bluetooth wird besser - und bleibt nicht besonders sicher
Mit dem Bluetooth-Funk kann man Sprache und Musik kabellos übertragen, Autos aus Metern entfernt aufschliessen, Daten übertragen und viel mehr. Auf der Technikmesse CES wurden nun interessante Verbesserungen vorgestellt.
Das Wichtigste in Kürze
- In der schnelllebigen Technik-Branche ist der Funkstandard Bluetooth ein Dinosaurier.
Die Bluetooth Special Interest Group, die im Februar 1998 als Standardisierungsgremium gegründet wurde, hat nun auf der Technik-Messe CES eine komplett neue Architektur vorgestellt, die «die nächsten 20 Jahre Audio-Innovationen ermöglichen» soll.
Vor über 20 Jahren starteten der schwedische Technikkonzern Ericsson und der Chip-Hersteller Intel eine Initiative, um mit einer neuartigen Funktechnologie die Kabelverbindungen überflüssig zu machen. 1998 stiegen auch der damalige Mobilfunk-Marktführer Nokia und die zu der Zeit führenden Laptop-Hersteller Toshiba und IBM ein und verhalfen der Nahfunk-Technik endgültig zum Durchbruch.
Kern der nun vorgestellten Erneuerung ist ein neues Audioformat mit dem Namen «Low Complexity Communication Codec» (LC3). LC3 reduziert gleichzeitig den Stromverbrauch und erhöht die Audioqualität. Im Moment ist der kleinste gemeinsame Nenner für Bluetooth-Audio der relativ alte und relativ schlechte SBC-Codec. Um Audioübertragungen via SBC gut klingen zu lassen, müsste man die Bitrate erhöhen, was aber den Stromverbrauch in die Höhe treiben würde.
Die besseren Kompressionsverfahren im neuen Format LC3, die unter anderem vom deutschen Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS entwickelt wurden, sorgen dafür, dass Audioübertragungen selbst bei niedrigen Bitraten besser klingen als das alte Format mit hohen Bitraten. Das Stromsparpotenzial können die Hersteller nun nutzen, um die Laufzeiten der Geräte zu verlängern oder bei gleicher Laufzeit kleinere Batterien zu verbauen.
Der neue Standard wird unter dem Markennamen «Bluetooth LE Audio» auf den Markt kommen - die Abkürzung LE steht für «Low Energy», also niedrigen Stromverbrauch. Der bisherige Standard heisst «Bluetooth Classic Audio» und sorgt dafür, dass auch ältere Geräte wie Autoradios und portable Lautsprecherboxen unterstützt werden.
Auf dem Fundament «LE Audio» können nun ganz neue Anwendungen entwickelt werden. So können künftig Hörgeräte Bluetooth unterstützen. Damit könnten Telefonate vom Smartphone direkt an Hörgeräte übertragen werden - oder Audio-Signale eines Fernsehers. Die neue Generation des Bluetooth-Funkstandards wird aber auch Mehrfachverbindungen und neue Sendemöglichkeiten bringen. So können Bluetooth-Geräte Audioverbindungen zu mehr als einem Kopfhörer oder Lautsprecher aufnehmen.
Mit der neuen Technik unterstützt Bluetooth künftig auch nativ Multistream-Audio. Das bedeutet, dass drahtlose Ohrhörer in der Lage sein werden, ihr eigenes unabhängiges Signal von einem Telefon zu empfangen. Bislang sendet das Telefon das Signal üblicherweise an einen der beiden Ohrstöpsel, dieser reicht dann das Signal an den anderen weiter. Dadurch spart man sich den Sender in den Ohrhörern, was auch der Batterielaufzeit zugute kommen wird.
Multistream wird aber auch die gemeinsame Nutzung von Bluetooth-Audio von der gleichen Quelle durch mehrere Benutzer ermöglichen. So könnten Patienten in einem Wartezimmer oder Flugreisende am Gate sich auf das Audio-Signal eines Fernsehers einwählen, der bislang lautlos vor sich herläuft.
Apple unterstützt mit seinen populären AirPods bereits Audio-Sharing, allerdings können sich nur zwei Personen das Signal teilen. Diese Beschränkung soll es künftig nicht mehr geben. Damit kann Musik oder Sprache an eine theoretisch unbegrenzte Zahl von Geräten übertragen werden. Etwa vom Smartphone an alle Freunde in der Nähe. In Museen oder anderen öffentlichen Einrichtungen ist mit «Broadcast Audio» möglich, Besucher zu erreichen. Die Audio-Streams können entweder öffentlich wie ein kleiner Radiosender ausgestrahlt werden oder als privater Stream durch ein Passwort geschützt - ähnlich wie bei einem WLAN-Netz.
Die Fortschritte bei der Audio-Übertragung werden die Position von Bluetooth weiter stärken. «Letztlich wird es nur noch drei Funkstandards geben: Mobilfunk, WiFi und Bluetooth», ist sich Ken Kolderup von der Bluetooth SIG sicher. Langsam verschwinden würden die Infrarot-Übertragung, DECT für schnurlose Telefone und Smart-Home-Funkverfahren wie Zigbee.
Die Erfolgsgeschichte von Bluetooth kennt allerdings nicht nur Höhen, sondern auch Tiefen. So wird das Koppeln von Bluetooth-Geräten von vielen Anwendern noch als sehr fummelig empfunden. Manche Hersteller versuchen, diese Klippe dadurch zu umschiffen, dass sie alle Sicherheitsfeatures ausschalten, um ein leichtes «Pairing» zu ermöglichen.
Aber selbst wenn diese Funktionen nicht abgestellt werden, bleibt ein Risiko bestehen. So hat die Darmstädter Sicherheitsforscherin Jiska Classen auf dem jüngsten Kongress 36C3 des Chaos Computer Clubs in Leipzig auf signifikante Sicherheitslücken in Bluetooth-Anwendungen hingewiesen. Bedenklich sei, dass man Bluetooth wegen der Audio-Anwendungen auf dem Smartphone oder Nutzungsszenarien im Internet der Dinge (IoT) immer aktiv habe. Damit könne sich jeder jederzeit damit verbinden, auch wenn es nur im Hintergrund laufe, sagte die Forscherin vom Secure Mobile Networking Lab (SEEMOO) der Technischen Universität Darmstadt der dpa.
«Die Bequemlichkeit von Bluetooth birgt ein grosses Angriffspotenzial», warnte Classen. Die Sicherheit von Bluetooth hänge stark von der Sicherheit des Chips ab, und dieser müsse dafür Firmware-Updates erhalten, welche die Hersteller aber nur sehr langsam und für ältere Geräte gar nicht zur Verfügung stellten. «Bei einem Smartphone heisst alt in diesem Fall häufig schon zwei bis drei Jahre.»
Häufig unsicher sei auch Bluetooth-Software in Fitness-Trackern oder sonstigen vernetzten Geräten. Den Besuchern des 36C3 empfahl die Forscherin, sie sollten auf umfangreich abgesicherte WLAN-Installationen oder IT-Systeme setzen, die über gar keine Schnittstelle für die Netzwerk-Kommunikation verfügten. Sie selbst schreibe Texte gegebenenfalls auf einem uralten Apple PowerBook, das über gar keine Bluetooth-Schnittstelle verfügt.