«Garagen-Affäre»: Hat sich Joe Biden strafbar gemacht?
Ein Fund von Verschlusssachen im Privathaus des Präsidenten: Was Joe Biden bei seinem Vorgänger Trump verurteilte, holt ihn nun selbst ein. Mit welchen Folgen?
Das Wichtigste in Kürze
- Joe Biden wirkt genervt.
Vor wenigen Tagen kam ans Licht, dass geheime Regierungsunterlagen aus seiner Zeit als US-Vizepräsident in privaten Räumen des Demokraten gefunden wurden.
Am Donnerstag kommt heraus, dass Verschlusssachen sogar in der Garage im Privathaus des Präsidenten in Wilmington im Bundesstaat Delaware lagerten – da, wo auch sein Oldtimer vom Typ Corvette parkt. «Verschlusssachen neben Ihrer Corvette? Was haben Sie sich dabei gedacht?», fragt ein Reporter des Senders Fox News Biden kurz darauf bei einem öffentlichen Auftritt. Der atmet tief ein und gibt trotzig zurück: «Meine Corvette steht in einer abgeschlossenen Garage, okay.» Es sei nicht so, als hätten die Unterlagen auf der Strasse gelegen.
Die Affäre
Noch am selben Tag verkündet Bidens Justizminister Merrick Garland, dass ein Sonderermittler die Affäre untersuchen soll. Am Montag wurde erstmals bekannt, dass Geheimunterlagen aus der Zeit, in der Biden Vize des damaligen Präsidenten Barack Obama war, in Privaträumen Bidens aufgetaucht waren. Erst war nur von einem Büro in Washington die Rede. Mittlerweile musste das Weisse Haus den Fund in der Garage eingestehen.
Regierungsdokumente an solchen Orten zu lagern, ist nicht erlaubt. Das Nationalarchiv ist für die Aufbewahrung zuständig. Noch heikler ist es, wenn es sich um Geheimunterlagen handelt. Wenn die in falsche Hände geraten, kann das die nationale Sicherheit der USA gefährden. Hat Biden sich strafbar gemacht? In jedem Fall schadet ihm die Sache, die der Fox-Reporter als «Garagen-Affäre» bezeichnet.
Die politische Gefahr
Das Ganze lässt Biden politisch schlecht dastehen. Verantwortungslos mit geheimen Regierungsunterlagen umzugehen, hatte Biden ausgerechnet seinem Amtsvorgänger Donald Trump vorgeworfen. Dessen Republikaner können sich nun nicht nur genüsslich in Häme üben. Mit ihrer neuen Mehrheit im Repräsentantenhaus können sie nun auch parlamentarische Untersuchungen dazu anstossen und Biden so vor sich hertreiben. Auch weil Bidens Anwälte die ersten Dokumente schon wenige Tage vor der Parlamentswahl im November entdeckten, die Öffentlichkeit aber erst jetzt davon erfuhr. Mehrere republikanische geführte Gremien im Repräsentantenhaus haben bereits Nachforschungen angekündigt. Jene Republikaner vom rechten Rand, die gerne ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten anstossen würden, bislang aber nicht recht wussten, mit welcher Begründung, könnten sich nun inspiriert fühlen. Selbst wenn solche Aktionen im Parlament am Ende zu nichts führen sollten, dürften sie Biden viel Arbeit machen und Nerven kosten.
Biden steht kurz davor zu verkünden, ob er bei der Präsidentenwahl 2024 für eine zweite Amtszeit antreten wird. Eigentlich lief es nach einer längeren innenpolitischen Durststrecke gerade gut für ihn, doch solange er mitten in diesem Schlamassel steckt, ist kaum vorstellbar, dass er eine Kandidatur für 2024 verkündet.
Die rechtliche Gefahr
Ob Biden in ernsthaften juristischen Schwierigkeiten steckt, dürfte auch davon abhängen, welchen Inhalt die Dokumente haben. Offizielle Informationen gibt es dazu nicht. Medienberichten zufolge geht es in einem Grossteil des Materials in irgendeiner Form um andere Staaten – wie zum Beispiel die Ukraine. Das Weisse Haus betont immer wieder, die Dokumente selbst ans Nationalarchiv gegeben zu haben, nachdem sie gefunden wurden. Die Untersuchungen zu der Affäre sind noch in einem frühen Stadium. Noch hat die Justiz keine konkreten Straftatbestände genannt. Es ist also völlig offen, welche konkreten Vorwürfe nun untersucht werden – und ob es je zu einer Anklage kommen könnte.
Der Fall Trump
Im Sommer schüttelte ein ähnlicher Fall bei Trump das Land durch: Das FBI durchsuchte dessen Anwesen in Florida und beschlagnahmte dabei Tausende Dokumente, darunter rund hundert Verschlusssachen. Anders als bei Biden hatten Ermittler zuvor bereits vermutet, dass Trumps Team rechtswidrig wichtige Unterlagen zurückhalte. Konkrete Straftatbestände, die bei Trump im Raum stehen, sind Behinderung der Justiz, das Verlieren von Geheiminformationen und das Entfernen oder Zerstören offizieller Dokumente. Alle Punkte können jeweils mit mehrjährigen Haftstrafen geahndet werden. In Trumps Fall hat ebenfalls ein Sonderermittler übernommen und prüft die Vorwürfe. Es ist aber auch hier völlig offen, ob Anklage gegen Trump erhoben werden könnte – er tut das Ganze als politisch motiviert ab.
Bidens Affäre scheint etwas anders gelagert zu sein: Die Dokumente wurden nach Darstellung des Weissen Hauses anfangs zufällig beim Ausräumen eines Büros entdeckt. Demnach ging dem Fund kein Streit mit dem Nationalarchiv voraus. Schliesslich habe Bidens Team dann selbst aktiv nach weiteren Dokumenten gesucht und sei in dessen Haus fündig geworden. Auch die Zahl der Dokumente dürfte sich unterscheiden, das Weisse Haus spricht von einer geringen Menge. Eine konkrete Zahl gibt es aber nicht. Zumindest stellt es sich aktuell auch nicht so dar, als habe Biden bewusst Dokumente zurückhalten wollen.
Die misslungene Kommunikation
Doch die Aussenwirkung ist schon jetzt ein grosses Problem. Nicht nur Bidens pampige persönliche Reaktion wirkt deplatziert. Auch die Kommunikationspolitik von Bidens gesamtem Team stösst auf grosse Kritik. Die Tatsache, dass Bidens Anwälte zwar direkt das Nationalarchiv informierten, die Öffentlichkeit aber über Wochen im Dunkeln liessen und nur scheibchenweise einräumen, was US-Medien zuvor ausgraben, steht im krassen Widerspruch zum Transparenzversprechen des Präsidenten. Die Dokumente in Bidens Garage etwa wurden schon am 20. Dezember entdeckt, das Weisse Haus bestätigte den Fund aber erst am Donnerstag – wieder in Reaktion auf Medienberichte. Bidens Sprecherin Karine Jean-Pierre reagiert fast hilflos auf Fragen zu diesem und vielen anderen heiklen Punkten. Stoisch wiederholt sie die immer gleichen Textbausteine und lässt viele Fragen unbeantwortet.
Die Moral
Trumps Umgang mit Geheimunterlagen nannte Biden «unverantwortlich», den jüngsten Machtkampf bei den Republikanern im Repräsentantenhaus «peinlich». Genau diese Attribute muss sich der Demokrat nun von der politischen Konkurrenz anhören. Biden geizt generell nicht mit moralischen Urteilen, stellt sich selbst als Inbegriff von Integrität und Anstand dar. Wer solche Massstäbe ansetzt, kann tief fallen.