Kraftakt Trumps zum Wahlkampfende - Sorge wächst vor Wahlnacht
Donald Trump hat angekündigt direkt nach der Wahlnacht seine Anwälte einzuschalten. Der US-Präsident will die Voten in den «Swing States» untersuchen lassen.
Das Wichtigste in Kürze
- Donald Trump befindet sich auf einem Wahl-Marathon, um Stimmen gutzumachen.
- Der Präsident und sein Herausforderer konzentrieren sich besonders auf die «Swing States».
- Trump hat zudem angekündigt, gleich nach der Wahl seine Anwälte einschalten zu wollen.
Mit einem Kraftakt zum Wahlkampfende will US-Präsident Donald Trump seinen Rückstand im Umfragen wettmachen und sich die notwendigen Stimmen für eine zweite Amtszeit sichern.
Nach fünf Auftritten am Sonntag wollte der Republikaner am Montag in drei besonders umkämpften Bundesstaaten um Wählerstimmen werben. Sein demokratischer Herausforderer Joe Biden plante am letzten Wahlkampftag Auftritte im wichtigen Bundesstaat Pennsylvania, einen davon mit Lady Gaga.
Biden kann vor der historischen Wahl an diesem Dienstag zudem auf weitere Schützenhilfe von Ex-Präsident Barack Obama zählen.
Trump fordert Ergebnis in Wahlnacht
Die Nachrichtenseite «Axios» berichtete am Sonntag unter Berufung auf drei ungenannte Quellen, Trump habe mit Vertrauten Pläne besprochen, wonach er sich im Fall eines Vorsprungs in der Wahlnacht noch vor Ende der Stimmenauszählung zum Sieger erklären könnte.
Diese Meldung bestritt Trump im Gespräch mit Reportern. Er hielt aber fest, dass er gleich nach Ende der Wahl seine Anwälte einschalten wird. Er will, die Voten in den «Swing States» untersuchen lassen.
Trump forderte am Sonntagabend (Ortszeit) im Bundesstaat North Carolina nämlich erneut, ein Wahlergebnis müsse noch in der Nacht zu Mittwoch vorliegen. «Es ist furchtbar, wenn wir ein Wahlergebnis nicht in der Wahlnacht bekommen können», sagte Trump.
Er untergräbt seit langem das Vertrauen in den Wahlprozess und bereitet nach Ansicht von Kritikern das Feld dafür, bei einer Niederlage das Ergebnis anzuzweifeln.
Ergebnis kann sich drehen
Wegen der Pandemie wird eine Rekordzahl an Briefwählern erwartet. Umfragen zufolge wollen mehrheitlich Bidens Anhänger von der Möglichkeit Gebrauch machen, per Briefwahl abzustimmen. In umkämpften Bundesstaaten wie Pennsylvania können Briefwahlstimmen noch Tage nach der Wahl ausgezählt werden.
Das könnte dazu führen, dass Trump in der Nacht zu Mittwoch vorne liegt, sein Vorsprung sich aber in den Tagen danach in eine Rückstand verwandelt. Dann würden die Wahlleute in den Bundesstaaten, in denen sich das Ergebnis dreht, doch nicht Trump, sondern Biden zugesprochen. Trump behauptet seit Monaten ohne jeden Beleg, die Stimmabgabe per Briefwahl begünstige Wahlbetrug.
Kampf um die «Swing States»
Der Wahlkampf konzentriert sich im Endspurt auf «Swing States» wie Pennsylvania, bei denen nicht feststeht, ob aus Tradition der Kandidat der Republikaner oder der Demokraten siegen wird. Trump lag in Umfragen vom Wochenende weiterhin sowohl landesweit als auch in mehreren «Swing States» hinter Biden.
Seine Wiederwahl ist dennoch nicht ausgeschlossen, zumal aufgrund des Wahlsystems auch der Kandidat mit den meisten Stimmen unterliegen kann. Beide Seiten haben die diesjährige Abstimmung zur Schicksalswahl erklärt.
Obama «eine hochgradig überschätzte Person»?
Bei ihren Auftritten am Sonntag griffen sich die beiden Kontrahenten scharf an. In Dubuque im Bundesstaat Iowa warf Trump Biden vor, korrupt zu sein. Ohne Belege behauptete er erneut, die Biden-Familie habe Millionen Dollar von China bekommen.
«Wenn Biden gewinnt, gewinnt China. Wenn wir gewinnen, gewinnt Amerika.» Trump (74) spielte bei seinen Auftritten Videos mit Versprechern und verbalen Ausrutschern seines 77-jährigen Herausforderers vor und stellte erneut Bidens Befähigung für das Präsidentenamt in Frage.
Trump warnte vor einer wirtschaftlichen Depression im Fall seiner Niederlage. Er zeigte sich siegessicher und spottete über Obamas Unterstützung für Biden. Seinen Amtsvorgänger nannte er «eine hochgradig überschätzte Person». Biden war Obamas Vizepräsident.
«Wir sind müde von den Tweets»
Biden sagte am Sonntag in Philadelphia: «Es ist an der Zeit für Donald Trump, seine Taschen zu packen und nach Hause zu gehen. Es ist an der Zeit, wieder etwas Leben in diese Nation zurückzubringen. Wir sind fertig, wir sind müde von den Tweets, der Wut, dem Hass, dem Versagen und der Verantwortungslosigkeit.» Biden kritisierte Trumps Krisenmanagement in der Pandemie als «fast kriminell».
Trump schliesst Lockdown aus
Trotz deutlich steigender Infektionszahlen versicherte Trump am Sonntag erneut, die USA seien in der Corona-Krise bald über den Berg. Einen Lockdown wie in mehreren europäischen Staaten schloss der Präsident aus. «Ich liefere das grosse amerikanische Comeback und wir haben keine Lockdowns», sagte er bei einem Wahlkampfauftritt in Washington im umkämpften Bundesstaat Michigan am Sonntag. Sollte Biden die Wahl gewinnen, drohe ein jahrelanger Lockdown.
«Unter einem Biden-Lockdown würdet Ihr in einem Gefängnisstaat leben», sagte Trump seinen Anhängern. «Der Biden-Lockdown würde bedeuten: keine Schule, keine Abschlüsse, keine Hochzeiten, kein Thanksgiving, keine Ostern, kein Weihnachten, kein 4. Juli (Unabhängigkeitstag) und keine Zukunft.» Trump stellte in Aussicht, dass es «eine Frage von Wochen» sei, bis es eine Impfung gegen das Coronavirus gebe.
Düstere Warnungen Faucis in der Pandemie
Zuvor hatte der führende US-Gesundheitsexperte Anthony Fauci die Amerikaner auf eine deutliche Verschlechterung der Pandemie-Lage eingestimmt. «Uns steht eine ganze Menge Leid bevor. Es ist keine gute Situation», sagte Fauci der «Washington Post». Die USA könnten vor dem Herbst und Winter «unmöglich schlechter positioniert sein».
Nach Daten der Johns-Hopkins-Universität (JHU) überschritten die USA am Freitag erstmals die Marke von 99'000 registrierten Neuinfektionen. Mit ihren 330 Millionen Einwohnern sind die USA etwa vier Mal so gross wie Deutschland, hatten am vergangenen Freitag aber rund fünf Mal so viele Neuansteckungen.
Nach den JHU-Statistiken hat die Pandemie in den USA bisher mehr als 230'000 Menschen das Leben gekostet - mehr als 20 mal so viel wie etwa in Deutschland.
Millionen haben schon gewählt
Mehr als 93 Millionen Amerikaner haben bereits die Möglichkeit genutzt, vor dem offiziellen Wahltermin am Dienstag per Brief oder in vorab geöffneten Wahllokalen abzustimmen. Das entspricht laut dem «U.S. Elections Project» mehr als zwei Dritteln aller Wähler 2016.
Der US-Präsident wird nicht direkt von den Bürgern gewählt, sondern von Wahlleuten. Deren Stimmen fallen fast überall komplett dem Sieger in dem Bundesstaat zu, der diese Wahlleute entsendet - egal, wie knapp das Ergebnis dort ausgefallen ist.
Für den Einzug ins Weisse Haus sind 270 Stimmen von Wahlleuten nötig. 2016 hatte Trump zwar landesweit weniger Wählerstimmen als Hillary Clinton geholt, aber mehr Wahlleute für sich gewonnen.
Wer noch gewählt wird
Die Wähler in den USA entscheiden am Dienstag nicht nur das Rennen ums Weisse Haus, sondern auch über den Kongress. Zur Wahl stehen alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus und 35 der 100 Sitze im Senat.
Umfragen geben den Demokraten gute Chancen, die Mehrheit im Repräsentantenhaus zu behalten und nach sechs Jahren die Kontrolle über den Senat zurückzugewinnen. Der Senat bestätigt unter anderem die Kandidaten für Regierungsposten oder das Oberste Gericht, was ihn besonders wichtig für einen Präsidenten macht.
Ein neues «Superspreader-Event» zur Wahl im Weissen Haus
Trump kündigte an, die Wahlnacht in Washington zu verbringen. Die «New York Times» berichtete, in der Diskussion sei eine Wahlparty im Ostsaal des Weissen Hauses mit bis zu 400 Gästen.
Nach einer Veranstaltung Trumps im Rosengarten Ende September waren zahlreiche Besucher mit dem Coronavirus infiziert, darunter auch der Präsident und First Lady Melania Trump. Fauci sprach später von einem «Superspreader-Event».
Biden will sich in der Wahlnacht von seinem Wohnort Wilmington im Bundesstaat Delaware aus an die Nation wenden, wie sein Wahlkampfteam ankündigte.