Was könnte eine «Rote Welle» für die US-Wirtschaft bedeuten?
Insbesondere haben die Finanzmärkte den Wiedereinzug von Trump ins Weisse Haus vorweggenommen. Doch was würde eine «Rote Welle» für die Wirtschaft bedeuten?
Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt – das werden sich heute Morgen wohl einige beim ersten Blick auf die Ticker gedacht haben. Zwar hatten insbesondere die Finanzmärkte bereits durchaus den Wiedereinzug von Donald Trump ins Weisse Haus vorweggenommen. Dass aber auch der Senat zu Gunsten der Republikaner kippen würde und nun eine Mehrheit im Kongress in greifbare Nähe rückt, hatten nur wenige auf dem Schirm.
Doch was würde eine «Rote Welle» für die Wirtschaft in den USA und auch den Welthandel bedeuten? Zunächst einmal hätte Trump deutlich mehr Entfaltungsmöglichkeiten als mit einem geteilten Kongress. Seine geplanten Steuererleichterungen hätten quasi freie Bahn und auch mit seinen Zoll-Vorstellungen käme er ungebremster voran.
Während also Trump in einer ersten Rede bereits das «goldene Zeitalter» Amerikas ankündigt, dürfte man sich in den Führungsetagen so mancher Exporteure in Europa und China nicht ganz so optimistische Gedanken über die künftigen Handelsbeziehungen mit der grössten Volkswirtschaft machen, denkt Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar von RoboMarkets.
Der rote Faden von Trumps Wirtschaftspolitik ist seine Neigung zu Zöllen – sie gelten ihm als Allheilmittel. Insgesamt gebe es aber durchaus Probleme bei der Einschätzung der wirtschaftlichen Folgen seiner Ideen, denn diese hätten sich im Wahlkampf teils widersprochen, findet Commerzbank-Experte Bernd Weidensteiner.
Zudem dürften laut Weidensteiner einige der von Trump geplanten Massnahmen, gerade im aussenwirtschaftlichen Bereich, Gegenreaktionen hervorrufen. Und einige Vorhaben würden wohl «den Kontakt mit der politischen Realität nicht überstehen.» Daher sei die Netto-Wirkung der geplanten Schritte noch kaum verlässlich abzuschätzen.
Besonders China dürfte ins Visier geraten
Sollte Trump allerdings seine Zoll-Vorstellungen durchbringen, würde der durchschnittliche Zollsatz in den USA auf den höchsten Wert seit den 1930er-Jahren steigen. Besonders China dürfte ins Visier geraten. Viele der aggressiven Forderungen Trumps seien aber wohl auch Verhandlungstaktik und es dürfte durchaus zu Kompromissen mit einigen Handelspartnern kommen, denkt Weidensteiner.
Innenpolitisch ist die Verlängerungen der Steuererleichterungen ein Hauptpunkt Trumps. Diese werden teuer und dürften das US-Defizit in die Höhe treiben, so Weidensteiner. Immerhin: Die Anfang Januar anstehende Erhöhung der Schuldengrenze würde unter vollständiger republikanischer Kontrolle wohl schnell erledigt sein, fügt ING an.
Die Experten von ING sehen aber «nach einer gewissen Zeit des höheren Risikoappetits» dann durchaus Gegenwind für die US-Wirtschaft aufziehen und verweisen auf die mittelfristig wahrscheinlich steigenden Kreditkosten für die US-Regierung.
Katja Gisler, Investment-Strategin und Co-CEO von Wellershoff & Partners, rechnet ebenfalls mit einem deutlichen Anstieg des US-Budgetdefizits. «Da es zudem sehr wahrscheinlich ist, dass Trump in seiner Amtszeit eine Rezession erleben wird, könnte das Budgetdefizit gar ausser Kontrolle geraten», erklärt sie gegenüber AWP.
Neben einem aus dem Ruder laufenden Defizit sieht Gisler noch Gefahren einer Erosion der Institutionen sowie eine hartnäckig hohe Inflation in den USA, die die dortigen Zinsen nicht nur kurzfristig hochtreiben dürften. «Dies dürfte auch den Aktienmärkten nicht gerade helfen», so die Expertin. Damit bestehe also durchaus die Gefahr, dass diesmal politische Börsen für einige Märkte nicht wirklich kurze Beine haben.
Ausweisung von Immigranten könnten Löhne nach oben treiben
Die klarste Wirkung der Trumpschen Pläne sieht Weidensteiner von der Commerzbank bei der Inflation. «Sollte er tatsächlich einen Zollsatz von 60 Prozent auf Importe aus China und 10 Prozent auf alle weiteren Importe erheben, könnten beide Effekte zu einem Preisschub von jeweils 1 Prozent führen», rechnet er vor. Die mögliche Ausweisung von Immigranten, die oft in personalintensiven Bereichen arbeiten, könnten zudem die Löhne nach oben treiben.
Durch den sich abzeichnenden Politikwechsel gerate zudem die US-Notenbank Fed in eine schwierige Lage. So seien die Zinssenkung am morgigen Donnerstag und vermutlich auch die im Dezember wohl relativ sicher, erwartet der Coba-Experte. Spätestens im Frühjahr, wenn sich eine Umsetzung der Zollpläne abzeichnet, habe sich das Umfeld für die Fed-Entscheidungen aber wohl deutlich verschoben.
Die LBBW sieht zudem eine unsichere Zeit auf Fed-Chef Jerome Powell zukommen. Er dürfte wohl mit Unbehagen auf den Wahlausgang reagieren, denn Donald Trump habe seine Ablösung angedroht.
Bereits vor der Wahl hatten diverse Volkswirte die Diskrepanz zwischen den Wachstumsplänen von Trump und der gewünschten Preisstabilität der US-Notenbank betont. Sie gehen aber davon aus, dass Trump den Fed-Chef nicht aktiv angreifen wird, sondern eher für mögliche schlechte Entwicklungen in der Wirtschaft verantwortlich machen wird. Zudem könne Trump Fed-Chef Jerome Powell erst im Mai 2026 nach Ablauf seiner Amtszeit absetzen.