Militärjunta in Myanmar durchsucht Wohnungen nach Regierungsgegnern

Die Militärjunta in Myanmar geht bei der Unterdrückung der Protestbewegung zunehmend systematisch vor: Auf der Suche nach Demonstranten drangen Sicherheitskräfte in der Nacht zum Dienstag in zahlreiche Wohnungen in der Handelsmetropole Yangon ein.

Eine Nonne stellt sich den Sicherheitskräften in Myitkyina in den Weg - Myitkyina News Journal/AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • Anwohner berichten von dutzenden Festnahmen - Guterres ruft zu «Zurückhaltung» auf.

Nachdem rund 200 Demonstranten bei Protesten am Montag im Stadtviertel San Chaung eingeschlossen worden waren, begannen die Sicherheitskräfte, Wohnung für Wohnung zu durchsuchen, wie Anwohner der Nachrichtenagentur AFP berichteten.

Betroffen waren demnach vor allem Wohnungen, die Flaggen oder Zeichen der Partei der abgesetzten De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi, der Nationalen Liga für Demokratie (NLD), zeigten. Aus der Gegend waren laute Knallgeräusche zu hören, bei denen zunächst unklar war, ob es sich um Schüsse oder Blendgranaten handelte.

«Sie haben jedes Haus auf der Kyun-Taw-Strasse durchsucht», sagte eine Anwohnerin. Dabei habe es dutzende Festnahmen gegeben. Am Morgen konnten einige Demonstranten das Gebiet verlassen, nachdem die Sicherheitskräfte sich zurückgezogen hatten.

San Chaung ist ein belebtes Viertel, bekannt für seine Cafés, Bars und Restaurants. Seit dem Putsch des Militärs vor mehr als einem Monat stehen in den Strassen behelfsmässige Barrikaden aus Bambus, Sandsäcken, Tischen und Stacheldraht, die von den Demonstranten errichtet wurden, um die Sicherheitskräfte aufzuhalten. «Wir müssen den Verkauf unserer Waren vor 09.00 Uhr beenden - es wird wieder ein hartes Durchgreifen auf den Strassen geben», prophezeite einer der Strassenverkäufer am Dienstag.

Im ganzen Land gab es am Dienstag vereinzelte Proteste, die laut Medienberichten von den Sicherheitskräften jedoch mit Tränengas und Blendgranaten schnell aufgelöst wurden. Zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kam es dabei nicht.

UN-Generalsekretär António Guterres rief nach der Umzingelung der Demonstranten und den Razzien zu «maximaler Zurückhaltung» auf und forderte die «sichere Freilassung aller - ohne Gewalt und Festnahmen».

Doch am Dienstag starb nach Angaben der Organisation Assistance Association for Political Prisoners (AAPP) erneut ein Mitglied der NLD in Polizeigewahrsam. Zaw Myat Linn kam demnach während eines Verhörs nach seiner Festnahme ums Leben. Er ist bereits der zweite NLD-Vertreter, der nach seiner Festnahme gestorben ist.

Bei Protesten und einem Generalstreik gegen den Militärputsch in der Handelsmetropole Yangon und weiteren Städten des Landes waren am Montag bereits drei Menschen erschossen worden. Insgesamt starben bisher mehr als 60 Menschen durch das harte Vorgehen der Sicherheitsbehörden bei den Protesten gegen die Militärjunta.

Der Online-Fernsehsender Kamaryut Media erklärte am Dienstag ausserdem, sein Büro sei gestürmt worden. Zwei Mitarbeiter seien von Offizieren in Zivil mitgenommen worden. Am Vortag waren bereits mehreren unabhängigen Medien die Lizenzen entzogen worden.

Zudem wurde laut Staatsmedien Myanmars Botschafter in Grossbritannien, Kyaw Zwar Minn, abberufen, nachdem er sich von der Militärjunta distanziert und die Freilassung von Suu Kyi und Präsident Win Myint gefordert hatte. Er hatte am Montag in einer vom britischen Aussenminister Dominic Raab bei Twitter veröffentlichten Stellungnahme erklärt, Diplomatie sei «die einzige Antwort in der gegenwärtigen Sackgasse».

Suu Kyis festgenommener Wirtschaftsberater, der Australier Sean Turnell, soll derweil versucht haben, aus Myanmar zu fliehen. Bei ihm seien «geheime Wirtschaftsdaten» gefunden worden, berichtete der staatliche Sender MRTV. Australien forderte am Montag erneut die Freilassung von Turnell, dem seit mehr als 30 Tagen nur eingeschränkter Zugang zu konsularischer Hilfe gewährt werde.

Das Militär hatte sich am 1. Februar an die Macht geputscht und die demokratisch gewählte Regierungschefin Suu Kyi unter Hausarrest gestellt. Seither dauern die Proteste gegen die Junta an, die mit immer härteren Methoden gegen die Demonstranten vorgeht.