Chinas Exportwachstum auf niedrigstem Stand seit zwei Jahren
Lockdowns, unterbrochene Lieferketten und weniger Fracht über Chinas Häfen: Die Null-Covid-Politik bremst die zweitgrösste Volkswirtschaft. Deutsche Exporteure leiden unter dem Einbruch im Handel.
Das Wichtigste in Kürze
- Chinas Exportwachstum ist auf den niedrigsten Stand seit zwei Jahren gefallen, während die zweitgrösste Volkswirtschaft zunehmend unter strengen Corona-Beschränkungen leidet.
Die Exporte legten im April - in US-Dollar berechnet - nur noch um 3,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu, wie der chinesische Zoll am Montag in Peking berichtete. Es ist das langsamste Wachstum seit Juni 2020 zu Beginn der Pandemie. Die Importe blieben unverändert.
Experten sahen die Ursache für den Einbruch in den Restriktionen durch die drakonische Null-Covid-Politik in China, die nicht nur die Produktion, sondern auch den Frachtverkehr stark beeinträchtigt. Zusätzlich wirken sich die Krise um den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und die Erholung der Kapazitäten in anderen Ländern aus.
Handel mit Deutschland stark eingebrochen
Auffällig stark ist der Handel mit Deutschland eingebrochen. Chinas Importe deutscher Waren fielen demnach um 9,8 Prozent. Aber auch chinesische Exporte nach Deutschland sackten ungewöhnlich stark um 9 Prozent ein. Mit der Europäischen Union gab es immerhin noch ein Exportplus von 7,9 Prozent. Aber die Importe fielen auch um 12,5 Prozent.
«Wir sehen nun ein Ausfuhrvolumen vergleichbar mit den ersten Monaten zu Beginn von Covid im Jahr 2020», sagte Jens Hildebrandt, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der deutschen Handelskammer in China (AHK). «Die Produktionsstopps und Einschränkungen bei vielen Unternehmen sowie die nach wie vor gestörten Lieferketten und erschwerten Transportbedingungen im Inland, insbesondere über den Shanghaier Hafen, bereiten den Unternehmen nun schon über Wochen hinweg grosse Probleme.» Das offiziell angestrebte Wirtschaftswachstum für dieses Jahr in Höhe von 5,5 Prozent rücke damit «in weite Ferne».
Chinas Aussenhandel sehe sich einem «komplizierten und schwierigen externen Umfeld» gegenüber, räumte der Statistik-Direktor des Zolls, Li Kuiwen, ein. Im März hatten die Exporte noch auffällig stark um 14,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zugelegt, während die Importe schon um 0,1 Prozent zurückgegangen waren.
Viele Probleme sind aber hausgemacht: Das 26 Millionen Einwohner zählende Wirtschafts- und Finanzzentrum Shanghai etwa ist seit mehr als einem Monat im Lockdown. Der Frachtverkehr über den grössten Hafen der Welt ist eingebrochen. Nach einigen hundert Corona-Fällen gibt es auch in der Hauptstadt Peking Home-Office-Pflicht und Beschränkungen. Weitgehende Restriktionen gelten auch für Zig-Millionen Menschen und viele Unternehmen in Nordostchina und anderen Metropolen.
«Ernste» Beschäftigungssituation
Und wenn die Exportmaschine stottert, leidet die ganze Wirtschaft. Der Aussenhandel trägt zu rund einem Drittel der Wirtschaftsleistung Chinas bei und beschäftigt rund 180 Millionen Menschen. Premier Li Keqiang sprach am Wochenende von einer «komplizierten und ernsten» Beschäftigungssituation. Er rief alle lokalen Stellen auf, mit Vorrang Unternehmen zu helfen, die gegenwärtigen Probleme zu bewältigen und Arbeitsplätze zu sichern.
«Die Stabilisierung der Beschäftigung ist wichtig für das Wohlergehen der Menschen», sagte Li Keqiang. «Es ist auch eine wichtige Stütze für die Wirtschaft, um in einem vernünftigen Rahmen zu operieren.» Die Regierung hat weitere Konjunkturmassnahmen versprochen, um ihre 5,5-Prozent-Wachstumsvorgabe in diesem Jahr zu erreichen.
Unter den Corona-Massnahmen leiden auch zunehmend europäische, amerikanische und andere ausländische Unternehmen in China. Rund die Hälfte der US-Firmen hat Investitionen verschoben oder reduziert, wie aus einer Montag veröffentlichten Umfrage der US-Handelskammer hervorging. In einer jüngsten Erhebung der EU-Handelskammer sagten 78 Prozent der europäischen Firmen, China sei durch die Corona-Massnahmen zu einem weniger attraktiven Investitionsziel geworden.
Omikron stellt Null-Toleranz-Politik auf harte Probe
Nach rund zwei Jahren wirksamer Pandemie-Bekämpfung in China stellt die hoch ansteckende Omikron-Variante die Null-Toleranz-Politik auf eine harte Probe. Trotz der hohen wirtschaftlichen Kosten will Chinas Führung allerdings an ihrem Kurs festhalten, wie der Ständige Ausschuss des Politbüros gerade noch einmal bekräftigt hatte.
«China ist ein Land mit einer grossen Bevölkerung, einer grossen Zahl alter Leute, unausgewogener regionaler Entwicklung und unzureichenden medizinischen Ressourcen», wurde die strikte Gangart begründet. Die Kontrollmassnahmen zu lockern, werde unausweichlich zu Infektionen in grossem Umfang, einer grossen Zahl von schweren Erkrankungen und Toten führen und ernsthaft die Entwicklung des Landes beeinträchtigen.
Experten wiesen auf die hohe Zahl alter Menschen hin, von denen mehr als 100 Millionen nicht oder unzureichend geimpft seien. Aber selbst mit einer neuen Impfkampagne würde es bis Jahresende dauern, bis alle auch drei Impfungen und damit den nötigen Schutz hätten. Auch gibt es Zweifel an der Wirksamkeit chinesischer Impfstoffe. Allerdings erlaubt die Pekinger Regierung keine ausländischen Vakzine in China.