Coronavirus: Jair Bolsonaro ist neue Welle in Brasilien egal
Fast täglich erreichen die Todeszahlen im Zusammenhang mit dem Coronavirus in Brasilien Rekordwerte. Präsident Bolsonaro hält aber nichts von Einschränkungen.
Das Wichtigste in Kürze
- Bei den Infektions- und Todeszahlen vermeldet Brasilien beinahe täglich neue Rekordwerte.
- Die Gesundheitssekretäre der Bundesstaaten fordern eine landesweite Ausgangsbeschränkung.
- Präsident Bolsonaro hält nichts davon und will, dass sie «mit dem Gejammere» aufhören.
Mehr als eine Viertelmillion Brasilianer ist seit Pandemiebeginn im Zusammenhang mit dem Coronavirus verstorben. Nur die USA haben bisher mehr Corona-Tote registriert als der bevölkerungsreichste Staat Südamerikas. Das Land befindet sich inmitten einer neuen Welle.
Beinahe täglich registriert Brasilien neue Rekordwerte bei den Corona-Infektions- und Todeszahlen. Am Mittwoch gab es nach Angaben des Gesundheitsministeriums 1910 Corona-Tote innerhalb von 24 Stunden – neuer Höchstwert. Zudem wurden zuletzt täglich rund 75'000 Menschen positiv auf das Coronavirus getestet.
Fachleute sprechen von der kritischsten Situation seit Pandemiebeginn. Das Gesundheitssystem steht in einigen Städten und Bundesländern vor dem Kollaps. So ist die Auslastung von Intensivbetten in neun von 26 Bundesstaaten und im Bundesdistrikt auf über 90 Prozent gestiegen.
Einige Spitäler in Brasilien können keine Corona-Patienten mehr aufnehmen. Diese müssen teilweise in andere Bundesstaaten notverlegt werden.
Bolsonaro: «Wie lange wollt ihr noch zu Hause bleiben und alles schliessen?»
Deswegen forderten die Gesundheitssekretäre der Bundesstaaten zuletzt landesweite Einschränkungen, darunter ein Veranstaltungsverbot oder die Schliessung von Schulen, Stränden und Bars. Auch sprachen sie sich für eine landesweite Ausgangssperre zwischen 20 und 6 Uhr sowie an Wochenenden aus.
Von Ausgangsbeschränkungen will Präsident Jair Bolsonaro, der die Gefahr des Coronavirus immer heruntergespielt hat, aber nichts wissen. «Schluss mit dem Gejammere», sagte er am Donnerstag diesbezüglich an einer öffentlichen Veranstaltung. «Wie lange wollt ihr noch zu Hause bleiben und alles schliessen? Keiner hält das mehr aus», so Bolsonaro.
«Rote Phase» in São Paulo
Einige Gouverneure und Bürgermeister nehmen das Zepter deswegen selbst in die Hand: In Rio de Janeiro etwa müssen Bars und Restaurants vom heutigen Freitag an um 17 Uhr schliessen. Es ist auch verboten, sich nach 23 Uhr auf öffentlichen Strassen und Plätzen aufzuhalten. Das gilt vorerst für eine Woche.
Der bevölkerungsreichste Bundesstaat São Paulo ist in die sogenannte «rote Phase» zurückgekehrt. Damit müssen nicht-essenzielle Geschäfte ab Samstag für zwei Wochen schliessen.
Immer wieder stellt sich Bolsonaro öffentlich gegen solche Massnahmen von Gouverneuren. Der Kollateralschaden für die Wirtschaft sei grösser als die Auswirkungen des Coronavirus selbst. Gouverneure, «die ihren Bundesstaat schliessen», hatte er gewarnt, dass sie für die Nothilfe des Staates selbst aufkommen müssten.
Steigen Zahlen wegen brasilianischer Mutation des Coronavirus?
Seit dem Jahreswechsel sind die Corona-Zahlen in Brasilien am Steigen. Während der Festtagen gab es im Land grösstenteils kaum Einschränkungen. Bilder von vollen brasilianischen Stränden machten damals die Runde.
Nicht ganz klar ist, inwiefern der Anstieg der Corona-Fälle im Zusammenhang mit der brasilianischen Mutation des Coronavirus P.1 steht. Forscher einer brasilianisch-britischen Studie vermuten dies aber: Sie gehen davon aus, dass die Variante zwischen 1,4- und 2,2-mal so ansteckend ist wie die ursprüngliche. Die Mutante soll zudem bei bereits geheilten Corona-Patienten vielfach zu erneuten Infektionen geführt haben.
Das südamerikanische Land hat erst Ende Januar mit Impfungen gegen das Coronavirus begonnen. Doch bisher wurden nur rund 3 Prozent der Bevölkerung (rund 8 Millionen Menschen) geimpft. Weniger als zwei Millionen Menschen haben eine zweite Impfdosis erhalten.
Probleme bei Impfstoff-Lieferungen
Einige Bundesstaaten mussten wegen fehlender Impfdosen ihre Impfkampagnen sogar kurzzeitig einstellen. Dies, obwohl gleich zwei Impfstoffe (Coronavac und Astrazeneca) in Brasilien selbst produziert werden. Auch dafür wird Bolsonaros Regierung kritisiert.
Diejenigen, die die Regierung zum Kauf von Impfstoffen auffordern, hatte Bolsonaro bei einer Veranstaltung als «Idioten» bezeichnet. Mittlerweile zieht der rechtspopulistische Politiker auch den Sinn von Impfungen gegen das Coronavirus grundsätzlich in Zweifel.
Am Dienstag kündigten einige Gouverneure an, sich bei der Impfstoff-Beschaffung zusammenzutun. Sie wollen diese direkt bei den Herstellern beschaffen, statt auf Lieferungen der Bundesregierung zu warten.
Der Gouverneur von São Paulo und Bolsonaro-Gegner, João Doria, bezeichnete den Präsidenten als «verrückt». Weil dieser Gouverneure und Bürgermeister angreife, «die Impfstoffe kaufen wollen und so helfen wollen, die Pandemie zu beenden». Das Land kämpfe derzeit nicht nur gegen das Coronavirus, sondern leider auch gegen das «Bolsonaro-Virus».