Mehr Pflegekräfte aus Brasilien?

Viel mehr Menschen in Deutschland sind auf Pflege angewiesen. Deswegen will die Ampel-Koalition mehr Pflegekräfte aus Ländern wie Brasilien anwerben.

Hubertus Heil will mehr Pflegekräfte aus Brasilien. - Bernd von Jutrczenka/dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Zahl der Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, ist stark angestiegen.
  • Die Ampel-Koalition will mehr Pflegekräfte aus Ländern wie Brasilien anwerben.
  • Patientenschützer haben Zweifel.

Da immer mehr Menschen in Deutschland, gepflegt werden müssen, will die Ampel-Koalition mehr Pflegekräfte aus Ländern wie Brasilien anwerben.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) werde im Juni mit Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nach Brasilien reisen. Dort sei das Arbeitskräftepotenzial im Pflegebereich sehr gross, sagte er der «Neuen Osnabrücker Zeitung».

Darüber hinaus gebe es Absprachen mit Indonesien und Mexiko. Im Februar hatte Heil zusammen mit Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) Ghana besucht. Auch dort war die Anwerbung von Fachkräften ein Thema.

Man werde «gemeinsam mit der Wirtschaft eine Anwerbe-Strategie in Ländern umsetzen, in denen es mehr junge und gut ausgebildete Menschen gibt, als der dortige Arbeitsmarkt aufnehmen kann», machte Heil deutlich. «Wir werden dabei sehr sensibel vorgehen, damit wir keinem Land die Arbeitskräfte nehmen, die es selber braucht», sagte er. «Wir profitieren, die Herkunftsländer profitieren, etwa indem wir uns in der Ausbildung vor Ort engagieren, und die Menschen, die zu uns kommen, profitieren: durch einen gut bezahlten Job für sie selbst und vielleicht auch durch die Möglichkeit, Familienangehörige in der Heimat finanziell zu unterstützen.»

33 arbeitslose Pflegekräfte auf 100 freie Stellen

Zwar hat die Zahl der Beschäftigten in Pflegeberufen zuletzt etwas zugenommen. Für 2021 hatte die Bundesagentur die Zahl der sozialversicherungspflichtig in der Pflege Tätigen mit rund 1,67 Millionen Menschen angegeben. Das waren rund 44'300 mehr als ein Jahr zuvor. Seit Anfang 2022 habe der Beschäftigungsaufbau in der Pflege jedoch «spürbar an Dynamik verloren», stellte die Bundesagentur fest.

Derzeit kommen auf 100 freie Stellen nur 33 arbeitslose Pflegefachleute. Die Bundesagentur spricht von einem «deutlichen Fachkräfteengpass bei Pflegefachkräften».

Stark gestiegen ist aber die Zahl der Menschen, die auf Pflege angewiesen sind. Laut Statistischem Bundesamt gab es im Dezember 1999 noch 2,02 Millionen Pflegebedürftige, im Dezember 2009 waren es schon 2,34 Millionen. Im Dezember 2019 waren es rund 4,13 Millionen und im Dezember 2021 rund 4,96 Millionen. Bis 2055 rechnen Experten mit einem Anstieg auf 6,8 Millionen.

Um die Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland bemüht sich die Bundesregierung bereits seit Jahren. Der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) etwa war 2019 nach Mexiko geflogen, um Pflegekräften den Weg nach Deutschland zu erleichtern. Der Erfolg blieb allerdings sehr begrenzt.

2022 wurden unterm Strich 656 ausländische Pflegekräfte durch die Bundesagentur für Arbeit nach Deutschland vermittelt. Die meisten angeworbenen Pflegekräfte stammten mit 255 von den Philippinen.

Patientenschützer haben Zweifel

Mit dem Fachkräfte-Einwanderungsgesetz will die Ampel-Koalition mehr Menschen nach Deutschland holen, um hier Lücken zu schliessen. Die Bundesregierung will mit ihrem Gesetz etwa über ein Punktesystem Einwanderung von Arbeitskräften mit ausländischem Berufsabschluss erleichtern. Es sieht auch Erleichterungen beim Familiennachzug vor. Die erste Lesung des Gesetzes fand im Bundestag bereits statt.

Patientenschützer zweifeln daran, dass sich die Fachkräftelücke durch den Zuzug aus dem Ausland lösen lässt. Die Anwerbe-Zahlen nichteuropäischer Arbeitskräfte seien seit über zehn Jahren sehr ernüchternd, sagte der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. Er sieht vor allem bessere Arbeitsbedingungen als Schlüssel. Dann könnten sich die Hälfte der Teilzeitbeschäftigten und sogar 60 Prozent der Ausgestiegenen eine Rückkehr in den Beruf beziehungsweise ein Aufstocken der Stunden vorstellen.

Mindestens 300'000 Pflegekräfte stünden damit zusätzlich zur Verfügung. «Der Mangel an Pflegekräften ist zuallererst ein innerdeutsches Problem. Das werden auch die wenigen zusätzlichen hundert brasilianischen Pflegerinnen und Pfleger nicht lösen», betonte Brysch.