Proteste in Hongkong: Chinas Sicherheitsgesetz schärfer als erwartet

Bei Protesten von Tausenden gegen das strenge neue Gesetz für nationale Sicherheit in Hongkong sind Dutzende Demonstranten festgenommen worden.

Polizisten führen Demonstranten nach einem Protest am 23. Jahrestag der Rückgabe Hongkongs an China zu Beginn eines jährlichen Marsches am Causeway Bay mit am Rücken zusammengebundenen Händen ab. Hongkong feiert den 23. Jahrestag seiner Übergabe an China, nur einen Tag, nachdem ungeachtet weltweiter Kritik China das kontroverse nationale Sicherheitsgesetz für Hongkong erlassen hat. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Zahlreiche Menschen protestierten in Hongkong gegen das neue Sicherheitsgesetz.
  • Dieses gibt China eine weitreichende Vollmacht im autonomen Hongkong.
  • Durch das neue Gesetz ist in der Region vieles verboten, was vorher erlaubt war.

Am 23. Jahrestag der Rückgabe der früheren britischen Kronkolonie 1997 an China ging die Polizei mit Tränengas, Wasserwerfern und Pfefferspray vor. Und zwar um die nicht genehmigten Proteste im Keim zu ersticken.

Die erste Festnahme nach dem neuen Gesetz galt am Mittwoch einem jungen Mann. Dieser hatte eine Flagge mit dem Ruf nach einer Unabhängigkeit Hongkongs gezeigt hatte.

Sicherheitsgesetz gibt China Vollmacht

Das neue Sicherheitsgesetz ist noch schärfer ausgefallen als erwartet. Es gibt Chinas Organen weitreichende Vollmachten in der eigentlich autonomen Sonderverwaltungsregion. Als Höchststrafe ist lebenslange Haft vorgesehen, wie aus dem Text hervorgeht, der erst in der Nacht zum Mittwoch veröffentlicht wurde.

Chinesische Stellen können in Hongkong künftig eigenmächtig Ermittlungen ausführen und Rechtshoheit ausüben. Das obwohl den Hongkongern bei dem Souveränitätswechsel 1997 Freiheitsrechte und Autonomie garantiert worden waren.

Einem Reporter wird von der Polizei und anderen Personen geholfen, nachdem er am 23. Jahrestag der Rückgabe Hongkongs an China zu Beginn eines jährlichen Marsches am Causeway Bay mit Pfefferspray besprüht wurde. - dpa

«Es markiert das Ende von Hongkong, wie die Welt es kannte», meinte der bekannte Hongkonger Aktivist Joshua Wong. US-Aussenminister Mike Pompeo sprach von einem «drakonischen» Gesetz, mit dem China die Autonomie Hongkongs zerstöre. Die USA würden nicht tatenlos zusehen.

Mehr Verbote

Nach dem neuen Gesetz ist in Hongkong seit Mittwoch vieles verboten. Was vorher durch das Recht auf freie Meinungsäusserung gedeckt war. So waren aus Angst vor Verfolgung auch deutlich weniger Menschen auf der Strasse als bei früheren Protesten, wo Millionen zusammenkamen. Das Gesetz stösst auf scharfe Kritik, weil es chinesischen Agenten künftig erlaubt, in Hongkong eigenmächtig gegen Verdächtigte zu ermitteln.

Militärhubschrauber mit einer chinesischen Nationalfahne und der Fahne der Sonderverwaltungszone Hongkong überfliegen den Goldenen Bauhinia-Platz anlässlich des 23. Jahrestags der Rückgabe Hongkongs an China. Es ist das erste Mal seit 17 Jahren, dass keine Demonstrationen zum Jahrestag des Souveränitätswechsels am 1. Juli erlaubt sind. - dpa

Das Oberste Gericht Chinas kann zudem «komplizierte» Fälle an eine Staatsanwaltschaft und ein Gericht in der Volksrepublik anweisen. Damit werden Verdächtigte überstellt und der nicht unabhängigen Justiz in China ausgeliefert. Ähnlich war es schon in dem Auslieferungsgesetz geplant gewesen, das vor einem Jahr die Proteste in Hongkong überhaupt ausgelöst hatte. Nach Massendemonstrationen hatte Hongkongs Regierung das Auslieferungsgesetz aber zurückgezogen.

Bei den seither anhaltenden Märschen forderten die Demonstranten vor allem mehr Demokratie. Wie es ihnen bei der Rückgabe 1997 in Aussicht gestellt worden war. Stattdessen reagierte die Führung in Peking mit dem Sicherheitsgesetz. Dieses umgeht nicht nur das Parlament Hongkongs, sondern auch dessen Justiz und ihre Schutzmechanismen.