Ode an die Toleranz: Sambaschulen beginnen Schaulaufen beim Karneval in Rio

Beim weltberühmten Karneval von Rio de Janeiro hat das Schaulaufen der Sambaschulen begonnen.

Parade von Império Serrano - AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • Heftiger Regen verzögert Beginn der Paraden.

Wegen heftiger Regenfälle begann die spektakuläre Parade durch das Sambodrom mit dreiviertelstündiger Verspätung - der Feierwut der Tänzer, Musiker und Zuschauer tat das aber keinen Abbruch. Einige der Formationen traten mit politischen Botschaften an - ein deutlicher Kommentar auch zu Brasiliens neuem rechtsradikalen Präsidenten Jair Bolsonaro.

Als erste Gruppe zog am Sonntagabend Império Serrano durch das Sambodrom, die Karnevalsarena der brasilianischen Millionenmetropole. Ihren ersten Wagen zierte ein gigantischer Kohl, der sich langsam über einer goldenen Krone öffnete.

Mit einer Ode an die Toleranz machte Rivalin Salgueiro von sich Reden: In einem Land, dessen neuer Präsident als Rassist und als expliziter Gegner von Homosexuellen sowie liberalen Lebensentwürfen generell gilt, grüsste ein schwarzer Papst im Papamobil die über 70.000 Zuschauer im Sambodrom. Tänzer trugen Regenbogen-Fahnen mit sich oder Spruchbänder mit rot durchgestrichenen Aufschriften wie «Korruption» oder «Straflosigkeit».

Grande Rio spielte auf die Falschnachrichten an, die im brasilianischen Präsidentschaftswahlkampf das Internet überschwemmten. Ein Wagen nahm mit in klebrigen Netzen gefangenen Fischen und Schildkröten zur Verschmutzung der Meere Stellung, ein weiterer liess einen verrückt gewordenen Einstein mit grünen Haaren und im Astronautenanzug durch das Karnevals-Universum schweben.

Magisch bis märchenhaft ging es bei Viradouro zu. Tänzer im Krötenkostüm verwandelten sich plötzlich in Prinzen, Hexen flogen über einen Wagen, und die Schlagzeuger traten in den sprechenden Hüten aus «Harry Potter» an. Den schönsten Wagen hatte in der ersten Nacht aber Beija-Flor, der Sieger des Vorjahres: Inmitten von blauen und weissen Wolken schwebte ein gigantischer Kolibri, das Symbol der Sambaschule, in der Luft.

Insgesamt sollten bis Montag 14 Sambaschulen durch das 700 Meter lange Sambodrom ziehen, das Platz für 72.000 Zuschauer bietet. Bei dem prestigeträchtigen Wettbewerb treten die grossen Sambaschulen mit jeweils tausenden Mitgliedern gegeneinander an. Am Mittwoch bestimmt eine Jury den Sieger.

Mit grosser Spannung wurde der Auftritt der Schule Portela am Montag erwartet, der Rekordhalter mit 22 Titeln. Einen Grossteil der Kostüme hat der französische Stardesigner Jean-Paul Gaultier entworfen. Die Samba-Formation Mangueira will an die verborgenen «Volks»-Helden der brasilianischen Geschichte erinnern, zumeist Schwarze oder Indigene, die in den Schulbüchern unerwähnt bleiben. Die Samba-Schule will zudem Rios schwarze Stadträtin Marielle Franco würdigen, die vor einem Jahr ermordet wurde.

Der Startschuss für den Karneval war am Freitagabend gegeben worden. Wie im Vorjahr verweigerte der Bürgermeister von Rio, Marcelo Crivella, seine Teilnahme an der traditionellen Eröffnungszeremonie. Der evangelikale Politiker ist wegen seines Glaubens als Karnevals-Gegner bekannt, die finanzielle Unterstützung für die Feierlichkeiten strich er um die Hälfte zusammen - und das, obwohl der Karneval rund 1,5 Millionen Touristen aus dem In- und Ausland anlockt.