Sanktionen der USA blockieren Medikamentenversorgung im Iran
Nach dem Ausstieg aus dem internationalen Atomabkommen sanktioniert die USA das Land im nahen Osten. Lebenswichtige Medikamente sind nun schwer zugänglich.
Das Wichtigste in Kürze
- Die USA sanktioniert den Iran seit dem Ausstieg aus dem Atomabkommen.
- Den Menschen im Iran fehlt der Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten.
Als US-Präsident Donald Trump im Mai den Ausstieg aus dem internationalen Atomabkommen mit dem Iran erklärte und neue Sanktionen ankündigte, wurde es für Masud Mir schwierig, an seine Medikamente zu kommen. Der 36-Jährige leidet unter der genetischen Bluterkrankung Thalassämie und ist auf ein Schweizer Medikament angewiesen. Doch seit Inkrafttreten der neuen Finanz- und Handelsbeschränkungen im August wird das Medikament rationiert und ist nur noch auf dem Schwarzmarkt erhältlich.
Das Gleiche gilt für viele lebenswichtige Medikamente zur Behandlung von Krebs, Herzbeschwerden und Multipler Sklerose. Selbst einfache Betäubungsmittel für Operationen werden rar. Am Mittwoch verurteilte das oberste UN-Gericht nun die USA zur Aufhebung aller Beschränkungen für humanitäre Güter. Demnach ist es illegal, die Ausfuhr von Medikamenten, Nahrungsmitteln, Agrarprodukten und Flugzeugteilen zu behindern.
Der Thalassämie-Patient Mir wirft den Konzerne vor, Medikamente zu horten und Preise zu manipulieren. Während der Sanktionen 2011 sei ihm gesagt worden, dass das von ihm benötigte Medikament wegen der Handelsbeschränkungen nicht erhältlich sei, sagt Mir. «Doch ich konnte aus der Apotheke gehen und es zu verrückten Preisen vom nächsten Strassenhändler erwerben. Wer die nicht zahlen kann, dem droht ein langsamer Tod.»
UN-Gericht verurteilt die Sanktionen
Das Urteil des Internationalen Gerichtshofs ist bindend für die USA, doch hat das Haager Tribunal keine Möglichkeit, es durchzusetzen. Es ist daher unwahrscheinlich, dass es unmittelbare Konsequenzen für iranische Patienten haben wird. Verstärkt werden deren Probleme noch durch den dramatischen Verfall der iranischen Währung, der den Import von Medikamenten und der zu ihrer Herstellung benötigen Rohstoffe verteuert.
Laut der iranischen Pharmaindustrie produziert der Iran zwar 96 Prozent der benötigten Medikamente selbst, ist jedoch zu ihrer Herstellung auf Rohstoffe aus dem Ausland angewiesen. Zudem sind einheimische Medikamente oft weniger wirksam als entsprechende ausländische Produkte. «Die hiesige Version ist billiger, aber nicht so effektiv», sagt ein Apotheker in Teheran. «Wenn die Sanktionen andauern, wird es noch schlimmer.»
Zwar gibt es offiziell keine Beschränkung für den Handel mit Medikamenten. Wie der Chirurg Hamid-Resa Wafaji sagt, ist es aber für den Iran wegen der Finanzsanktionen de facto unmöglich, von ausländischen Pharmafirmen Medikamente zu kaufen. Wegen der Sanktionen hat auch der dänische Insulin-Hersteller Novo Nordisk seine Pläne zum Bau einer Fabrik zur Versorgung der Diabetes-Patienten im Iran aufgegeben.
80 Pharmaprodukte fallen aus
Einer der Betroffenen ist der Elektrotechniker Ali. Der Mittdreissiger braucht für seinen kleinen krebskranken Sohn dringend ein Medikament gegen eine Pilzerkrankung. «Sie geben es mir nicht, weil es Probleme mit der Versicherung gibt», sagt Ali vor einer Apotheke in Teheran. Und ohnehin gebe es nicht genug von dem Medikament. «Mein Sohn kann jeden Tag sterben, wenn er seine Medizin nicht rechtzeitig erhält», sagt Ali.
Die Regierung gibt die Engpässe bei den Medikamenten selber zu. Laut dem Abgeordneten Mohammed-Naim Aminifard, Mitglied im Gesundheitsausschuss des Parlaments, sind im Iran mittlerweile 80 Pharmaprodukte knapp. In den sozialen Medien machen die Iraner neben den US-Sanktionen auch die Misswirtschaft der eigenen Regierung und die Politik der Pharmafirmen für die Engpässe und die steigenden Preise verantwortlich.