Studenten verschulden sich in Corona-Krise

In der Corona-Krise sind auch viele Studentenjobs weggebrochen. Nun versuchen sich Zehntausende Betroffene mit Krediten und staatlicher Nothilfe über Wasser zu halten.

Die Corona-Krise sorgt bei vielen Studierenden für finanzielle Not. Foto: picture alliance / Silas Stein/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Zehntausende Studentinnen und Studenten haben in den vergangenen Monaten Schulden aufgenommen oder staatliche Hilfszahlungen beantragt.

Wie aus einem Schreiben des Bundesbildungsministeriums an den Bildungsausschuss des Bundestages hervorgeht, wurden seit Mai bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mehr als 22.000 Anträge auf Studienkredite in Höhe von insgesamt 641,6 Millionen Euro gestellt. Ausserdem sei in mehr als 41.000 Fällen staatliche Nothilfe über insgesamt rund 17 Millionen Euro ausgezahlt worden. Das Schreiben liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.

ZWEI SÄULEN BEI CORONA-HILFE

Das Bundesbildungsministerium hatte zwei Möglichkeiten für Studenten in finanzieller Not geschaffen: 100 Millionen Euro Nothilfe - Geld, das nicht zurückgezahlt werden muss - stehen insgesamt für diejenigen bereit, die mit Kontoauszügen nachweisen können, dass sie in einer Notlage sind, weil regelmässige Zahlungen beispielsweise aus Jobs zuletzt nicht mehr eingegangen sind. Der Staat zahlt dann 100 bis maximal 500 Euro pro Monat und nur für die Monate Juni, Juli und August.

Die zweite Säule ist der KfW-Studienkredit, den es auch vor der Krise schon gab, der nun aber seit Mai bis März 2021 zinsfrei gestellt ist. Hier habe es im Vergleich zum April eine deutliche Steigerung bei der Beantragung gegeben, schreibt das Ministerium.

GRÜNE SPRECHEN VON «SKANDAL»

Die Nothilfe wurde im Juni nach Ministeriumsangaben rund 82.000 mal beantragt, aber nur rund die Hälfte der Anträge wurde bewilligt. In 42 Prozent der abgelehnten Fälle habe keine pandemiebedingte akute Notlage vorgelegen. Bei knapp einem Drittel der Fälle seien Unterlagen unvollständig oder unleserlich gewesen. Bei den Anträgen im Juli (Stand 27. Juli gut 60.000) erwartet das Ministerium nach eigenen Angaben eine deutlich höhere Annahmequote.

«Es ist ein Skandal, dass jeder zweite Antrag von Studierenden auf Unterstützung in der Pandemiekrise abgelehnt wird», sagte der hochschulpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Kai Gehring. «Die Modalitäten der sogenannten Überbrückungshilfe sind offensichtlich so miserabel, dass Studierende in Notlagen zur blanken Existenzsicherung in den KfW-Studienkredit getrieben werden.» Diese bedenkliche Schuldenlast würden viele bis zum Ende des Studiums – und darüber hinaus – nicht los.

Die Grünen hatten wiederholt gefordert, das Bafög für alle, die pandemiebedingt in Not geraten sind, zu öffnen. «Dass die Lage vieler Studierender schon vor der Krise so prekär war, zeigt wie notwendig eine grundlegende Reform der staatlichen Studienfinanzierung ist», sagte Gehring.

Der hochschulpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Jens Brandenburg nannte das KfW-Darlehen eine Mogelpackung, weil dafür schon bald wieder Zinsen fällig würden. Wie soll denn ein Student, der in der Krise den Nebenjob verloren hat, schon im Winter wieder einen Kredit zurückzahlen?» Auch Brandenburg forderte eine Bafög-Öffnung für Betroffene.

KRITIK AUCH VOM DEUTSCHEN STUDENTENWERK 

Die Ansicht, dass es vielen Studenten auch schon vor der Krise finanziell schlecht ging, wird vom Deutschen Studentenwerk geteilt, das mit seinen örtlichen Studentenwerken für die Bearbeitung der Nothilfe-Anträge zuständig ist. Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde hatte im «Handelsblatt» gesagt, dass viele Studenten keine Pandemie-bedingte Notlage nachweisen könnten, heisse nicht, dass sie nicht in einer Notlage seien, sondern dass diese schlicht schon vorher bestanden habe.