Sri Lankas Regierung räumt «grosse Fehler» der Geheimdienste vor Anschlägen ein
Nach den Anschlägen mit mehr als 350 Toten hat die Regierung Sri Lankas schwerwiegende Versäumnisse der Sicherheitsbehörden eingeräumt.
Das Wichtigste in Kürze
- 18 weitere Verdächtige festgenommen - Attentäter kommen aus vermögenden Familien.
Vize-Verteidigungsminister Ruwan Wijewardene bezeichnete es am Mittwoch als «grossen Fehler», dass wichtige Informationen über islamistische Attentatspläne nicht weitergegeben worden seien. 58 Verdächtige wurden mittlerweile im Zusammenhang mit der Anschlagsserie vom Ostersonntag festgenommen, zu der sich die IS-Miliz bekannte. Die mutmasslichen Attentäter kamen der Regierung zufolge aus wohlhabenden Familien.
Die Sicherheitsdienste Sri Lankas hatten schon vor den Anschlägen Hinweise auf entsprechende Pläne. So warnte Sri Lankas Polizeichef am 11. April vor islamistischen Angriffen auf Kirchen. Premierminister Ranil Wickremesinghe bestätigte, dass der Polizei die Anschlagspläne bekannt gewesen seien, sie habe jedoch nicht gehandelt und die Informationen auch nicht an ihn weitergeleitet.
«Es gab einen grosser Fehler beim Weitergeben von Informationen», bestätigte Vize-Verteidigungsminister Wijewardene am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Vor diesem Hintergrund forderte er Wickremesinghes Regierung auf, Konsequenzen zu ziehen. «Die Regierung muss Verantwortung übernehmen.»
Wijewardene ist der Stellvertreter von Verteidigungsminister Maithripala Sirisena, der zugleich Präsident Sri Lankas ist. Staatschef Sirisena und Premierminister Wickremesinghe hatten sich vergangenes Jahr einen mehrmonatigen Machtkampf geliefert. Wickremesinghe wurde zwischenzeitlich von Sirisena geschasst.
Sirisena hatte als Konsequenz aus dem mutmasslichen Versagen des Geheimdienstes bereits eine völlige Umstrukturierung der Sicherheitskräfte und der Polizei angekündigt. Woher der Sicherheitsdienst die Informationen über die Anschlagspläne erhielt, blieb zunächst offen. Die USA hatten nach Angaben ihrer Botschafterin in dem Inselstaat keine vorherige Kenntnis. «Wir wussten nichts von diesen Anschlägen», sagte Alaina Teplitz dem Sender CNN.
Der Sender berichtete aber, dass der indische Geheimdienst «ungewöhnlich präzise» Informationen über Anschlagspläne an die Behörden Sri Lankas weitergegeben habe. Einige der Hinweise kamen demnach von einem mutmasslichen IS-Anhänger in indischer Haft.
Nach neuen Angaben der Polizei wurden bei den Bombenanschlägen 359 Menschen getötet. Demnach erlagen weitere Menschen ihren schweren Verletzungen. Rund 500 Menschen wurden bei den Anschlägen verletzt.
Bei erneuten Razzien nahm die Polizei in der Nacht zu Mittwoch nach eigenen Angaben weitere 18 Verdächtige fest. Die Regierung rechnet in den kommenden Tagen mit weiteren Festnahmen. Laut Wijewardene unterstützt der US-Geheimdienst FBI die Behörden vor Ort bei der Verfolgung weiterer Verdächtiger.
Die Regierung Sri Lankas machte zudem weitere Angaben zur Identität der mutmasslichen Selbstmord-Attentäter. «Die meisten von ihnen sind gut ausgebildet und kommen aus Familien der Mittelschicht und der oberen Mittelschicht», sagte Wijewardene. Einer habe Universitäten in Grossbritannien und Australien besucht, andere arbeiteten offenbar vorübergehend im Ausland. Nach Angaben aus Polizeikreisen war unter den mutmasslichen Selbstmordattentätern auch ein muslimisches Bruderpaar, dessen Vater ein wohlhabender Gewürzhändler ist.
Offen blieb zunächst jedoch, welche Islamistengruppe hinter den Bombenattentaten steckte. Wijewardene ging am Mittwoch davon aus, dass eine «Splittergruppe» der einheimischen Islamistengruppe National Thowheeth Jama'ath (NTJ) für die Angriffe verantwortlich war. Ein Regierungssprecher hatte allerdings bereits am Montag erklärt, die Behörden prüften, ob die Gruppe «internationale Unterstützung» gehabt habe.
Am Dienstag hatte der IS die Tat mit Nachdruck für sich reklamiert. Über ihr Propaganda-Sprachrohr veröffentlichte die Miliz gleich drei Botschaften, in denen sie sich zu den Bombenanschlägen bekannte. Auf einem Foto und einem Video waren die acht angeblichen Täter zu sehen. Nach Angaben der Regierung in Sri Lanka deuten erste Ermittlungsergebnisse auch auf eine «Vergeltung» für die tödlichen Anschläge von Mitte März auf Muslime im neuseeländischen Christchurch hin.