Airbnb ermuntert zu Überwachung – Experte kritisiert
Airbnb bewirbt Gast-Überwachungsgeräte zu Aktionspreisen. Ist das in der Schweiz legal? Der Rechtsexperte Martin Steiger ist skeptisch.
Das Wichtigste in Kürze
- Airbnb verkauft sogenannte Party-Verhütungs-Tools verschiedener Hersteller.
- Deren Einsatz ist in der Schweiz nicht ohne weiteres erlaubt, meint Martin Steiger.
- Der Anwalt ist auf Recht in der digitalen Welt spezialisiert.
Airbnb-Gastgeber haben des Öfteren mit schwierigen Gästen zu kämpfen. Sei es lautes Feiern um drei Uhr morgens oder das unerlaubte Rauchen in der Wohnung. Besonders ersteres kann der Reputation eines Vermieters schaden.
Airbnb verkauft Party-Verhinderungs-Geräte
Um den Gastgebern bei solchen Problemen unter die Arme zu greifen, bewirbt Airbnb seit kurzem Überwachungsgeräte verschiedener Hersteller.
Für 50 bis 200 Euro erhalten Käufer ein multifunktionales Observations-Tool: Temperatur, Lärm, Luftfeuchtigkeit und sogar Bewegung können die Geräte registrieren. Bei Überschreiten eines vom Gastgeber festgelegten Wertes erhält dieser eine Benachrichtigung per Handy-App um gegebenenfalls einschreiten zu können.
Das Motto: Weil dabei keine effektiven Aufnahmen gemacht würden, werde die Privatsphäre der Gäste weiterhin respektiert. Zudem sei der Einsatz der Geräte dann zulässig, wenn der Gastgeber die Gäste über ihr Vorhandensein informiert. Das legitimiere die ganze Sache. Stimmt das?
Rechtsexperte Martin Steiger: «Datenschutz- und persönlichkeitsverletzend»
Nein, meint Martin Steiger, Anwalt und Sprecher der Digitalen Gesellschaft Schweiz. Die gemeinnützige Organisation mit über 400 Mitgliedern setzt sich für den Erhalt der Grund- und Menschenrechte im digitalen Raum ein.
«Die Information ist notwendig, aber nicht hinreichend», hält der Rechtsanwalt fest. «Die Datenbearbeitung muss immer auch verhältnismässig sein.» Aus seiner Sicht sei die Verhältnismässigkeit bei der Anwendung dieser Geräte nicht gegeben. «Insofern halte ich ihren Einsatz grundsätzlich für datenschutz- und persönlichkeitsverletzend», so der Anwalt. Wer heimlich überwache, könne sich ausserdem strafbar machen.
Einwilligung hebt Problematik wohl nicht auf
Doch wenn Gäste in die Überwachung einwilligen können, «kann dies die Rechtsverletzung allenfalls rechtfertigen.» Das heisse aber, dass der Gast bereits bei der Buchung über die Überwachung informiert werden müsse. Und ob es zulässig ist, den Erfolg einer Buchung abhängig vom Einverständnis zur Überwachung zu machen, sei umstritten.
Bewegungssensoren keine Überwachungsgeräte?
Airbnb führt in den Unternehmensrichtlinien aus, was alles als Aufnahme gilt und fordert Anwender zur Information auf. Gelistet werden neben Kamera und Mikrofon auch Schallpegelmesser. Zwar ist auch allgemein von «Überwachungssystemen» die Rede. Doch ob damit auch Bewegungs- und Luftfeuchtigkeitssensoren gemeint sind, erschliesst sich daraus nicht.
Martin Steiger meint: «Die Vorschriften von Airbnb gehen in die passende Richtung, aber nicht weit genug. Ich gehe davon aus, dass beim Einsatz solcher Geräte in der Schweiz allein die Information über ihr Vorhandensein nicht genügt. Ausserdem ist die Definition von ‹Aufnahmegerät›, die Airbnb verwendet, zu eng. Alle Arten von Sensoren und sonstigen Überwachungsgeräten, auch ohne Kameras und Mikrofone, müssten berücksichtigt werden.»
Steiger warnt vor Missbrauch durch Regierung und (andere) Kriminelle
Steigers Bilanz: «Alles in allem ist es erschreckend, aber nicht überraschend, dass Airbnb die eigenen Vermieter ermuntert, Überwachungsgeräte zu nutzen».
Übrigens: Dem Vorwurf, Airbnb wolle andere zur Überwachung ermuntern, hält das Unternehmen auf der Verkaufsseite fraglicher Produkte präventiv den folgenden Satz entgegen: «Airbnb spricht keine Empfehlungen für eines dieser Geräte aus.» Gleichzeitig werden die Observations-Geräte auf derselben Seite mit Aktionspreisen beworben: «Ein besonderer Rabatt für dich!»
Kriminelle und Behörden könnten auf Daten zugreifen
Steiger warnt ausserdem, dass die Gefahr des Missbrauchs sehr gross sei: «Auch Geheimdienste und Sicherheitsbehörden könnten auf die entsprechenden Daten zugreifen.» Denn die App-Benachrichtigung läuft übers Internet. Daten werden bei Cloud-Diensten gespeichert. Solche Cloud-Dienste hätten oft Sicherheitsmängel. Darum sei «ebenso mit dem Zugriff durch Kriminelle» zu rechnen.
Airbnb nimmt «Stellung»
Nau.ch hat Airbnb angefragt: Hält das Unternehmen den Einsatz der Geräte für Gesetzeskonform? Ist die Unternehmens-Definition davon, was als Überwachungsgerät gilt, ausreichend? (Bewegungssensoren werden zurzeit von Airbnb aktuell nicht als Aufnahmegerät deklariert.) Auch fragte Nau.ch das Unternehmen, wie viele der Geräte in der Schweiz bereits abgesetzt wurden.
Die Antwort: «Es handelt sich nicht um Airbnb Geräte, wie teilweise fälschlicherweise in der bisherigen Berichterstattung zum Thema dargestellt.» Darauf folgt eine Liste von Informationen, die Nau.ch teilweise in der Medienanfrage bereits inkludiert hatte. Auf die Fragen wurde nicht weiter eingegangen. Damit entzieht sich Airbnb jeglicher Verantwortung. Es werden weiterhin Produkte beworben, deren rechtlicher Status unklar ist.