Gamer distanzierten sich von Videospiel-Figur nach deren Outing

Nach dem Outing eines Videogame-Charakters ist dessen Popularität bei den Spielern in den Keller gerasselt. Die gute Nachricht: Dies galt nur für kurze Zeit, wie ein internationales Team mit Beteiligung der Uni Zürich im «Journal of Business Ethics» berichtet.

Ein Mann spielt ein Videospiel. - Keystone

Unternehmen, die ihre Solidarität mit der LGBT-Gemeinschaft demonstrieren möchten, greifen auf verschiedenste Marketingstrategien zurück, eine davon ist das Produkt-Branding. Dabei wird einem Produkt eine bestimmte Eigenschaft oder Geschichte zugeschrieben, um die Botschaft des Unternehmens an die Kundinnen und Kunden weiterzutragen.

Ein LGBT-freundliches Produkt-Branding betrieb auch der US-amerikanische Computerspielentwickler Blizzard Entertainment im Jahr 2019: Es gab bekannt, dass einer der Charaktere des Spiels «Overwatch» in Tat und Wahrheit schwul sei. «Soldier: 76», so der Codename des Charakters, hatte demnach in einer homosexuellen Beziehung gelebt.

Die Forschenden um Petr Parshakov von Wirtschaftshochschule Moskau analysierten, welchen Einfluss dies auf die Popularität des Charakters hatte. Direkt nach dem Coming-Out analysierten sie, wie oft «Soldier: 76» von den Spielerinnen und Spieler noch als Figur ausgewählt wurde. Bei «Overwatch», das weltweit gespielt wird, kann man aus 32 Spielfiguren eine auswählen.

So beobachteten die Forschenden unmittelbar nach dem Outing einen starken Nachfragerückgang bei «Soldier: 76». Interessanterweise fiel dies zusammen mit einem deutlichen Anstieg der Nachfrage nach dem einzigen anderen LGBTQ-Charakter des Spiels: Tracer, die offen lesbisch ist. Eine abschliessende Erklärung dafür haben die Forschenden nicht. Jedoch habe Tracer ähnliche Fähigkeiten wie «Soldier: 76», weshalb Spieler deshalb auf sie ausgewichen sein könnten.

Wie aus der anschliessenden Befragung von über 260 Spielern hervorging, waren einige auch der Meinung, dass «attraktive Lesben eher toleriert würden als Schwule.» Tatsächlich brachten die meisten der Befragen die Beliebtheitseinbussen von «Soldier: 76» mit Homophobie in Verbindung.

«Die Spieler wollten nicht mit schwulen Charakteren in Verbindung gebracht werden oder waren das Ziel von beleidigenden Kommentaren», lautete die Vermutung der Befragten. Abschätzige Kommentare gegenüber «Soldier: 76» gab es in den sozialen Medien und eigens für das Spiel eingerichteten Live-Chats.

Nach drei Monaten allerdings glätteten sich die Wogen bereits wieder: «Soldier: 76» erreichte wieder dieselbe Beliebtheit wie zuvor.

Die Hauptbotschaft für Unternehmen, die ein LGBTQ-freundliches Produkt-Branding einführen möchten, sei klar, sagte Mitautor Carlos Gómez-González von der Uni Zürich der Nachrichtenagentur Keystone-SDA: «Zwar muss mit einem kurzzeitigen Einbruch gerechnet werden, aber lange hält der Aufschrei nicht an.»

Leider, so der Forscher, sei es nicht möglich gewesen, Daten zu den einzelnen Spielern zu erhalten. «Es wäre interessant zu sehen, wie sich die Ergebnisse in den verschiedenen Ländern, aufgrund von kulturellen Eigenheiten, unterscheiden.»

Zudem sei es wichtig zu betonen, dass es sich nicht um eine bevölkerungsrepräsentative Stichprobe gehandelt habe. Nicht nur sei diese auf Gamerinnen und Gamer beschränkt gewesen, sondern sei «Overwatch» auch ein Ego-Shooter-Spiel, das aufgrund seiner Brutalität nicht jeden und jede gleichermassen anziehe.