Armenien und Aserbaidschan werfen sich gezielte Angriffe vor
Im Konflikt um Berg-Karabach haben sich Armenien und Aserbaidschan gegenseitig beschuldigt, gezielt die Zivilbevölkerung unter Beschuss zu nehmen.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Konflikt um Berg-Karabach eskaliert weiter.
- Armenien und Aserbaidschan werfen sich den gezielten Beschuss von Zivilisten vor.
- Das Rote Kreuz prangert die wahllosen Bombardierungen an.
Der aserbaidschanische Präsidentschaftsberater Hikmet Hadschijew äusserte sich am Sonntagabend im Kurzbotschaftendienst Twitter. Armenische Streitkräfte hätten Raketenangriffe gegen «aserbaidschanische Zivilisten und zivile Infrastruktur» geflogen. Das armenische Aussenministerium wiederum warf den aserbaidschanischen Truppen vor, bei Angriffen auf Stepanakert und weitere Städte «bewusst die Zivilbevölkerung anzugreifen».
Verschärfter Tonfall
Nach armenischen Angaben bombardierten aserbaidschanische Soldaten am Sonntag erneut die Hauptstadt der selbsternannten Republik Berg-Karabach, Stepanakert. AFP-Reporter berichteten von zahlreichen Explosionen und schwarzen Rauchwolken über der Stadt. Aus Stepanakert und der Stadt Schuscha wurden Tote und Verletzte gemeldet.
Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium erklärte derweil, armenische Truppen hätten die zweitgrösste aserbaidschanische Stadt Gandscha bombardiert. Auf Videoaufnahmen waren zerstörte Häuser in der 330'000-Einwohner-Stadt zu sehen. Hadschijew erklärte, armenische Streitkräfte hätten darüber hinaus die Industriestadt Mingetschawir und den Bezirk Abscheron angegriffen.
Eine Woche nach Beginn der heftigen Gefechte ist der Tonfall zwischen den Konfliktparteien deutlich schärfer geworden. Internationale Vermittlungsversuche blieben bislang erfolglos. Die De-facto-Regierung in Berg-Karabach drohte am Sonntag mit einer Ausweitung der militärischen Aktivitäten auf «das gesamte Staatsgebiet Aserbaidschans».
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) prangerte die willkürliche Bombardierung von Städten und Dörfern an. Das Völkerrecht verbiete «wahllose und unverhältnismässige Angriffe», hiess es in einer Erklärung der in Genf ansässigen Organisation vom Sonntag. Die Konfliktparteien müssten alles tun, um Zivilisten und zivile Infrastruktur zu schützen.
250 Menschen starben
Durch die heftigen Kämpfe seien hunderte Gebäude sowie Schulen und Krankenhäuser beschädigt worden, kritisierte das IKRK. «Familien sind auf der Flucht, um nach Schutz zu suchen; andere haben sich in unterirdische Räume zurückgezogen, um sich Tag und Nacht in unbeheizten Kellern vor der Gewalt zu schützen.»
Seit Beginn der heftigen Kämpfe vor einer Woche wurden mindestens 250 Menschen getötet, darunter 42 Zivilisten. Die Berichte über Opferzahlen sind allerdings unvollständig. Beide Konfliktparteien sprechen von tausenden getöteten Kämpfern auf Seiten des Gegners und reklamieren militärische Erfolge für sich.
Die ehemaligen Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan liefern sich seit Jahrzehnten einen erbitterten Streit um die Region Berg-Karabach. Diese liegt im Südkaukasus und wird mehrheitlich von Armeniern bewohnt. Die selbsternannte Republik Berg-Karabach wird international nicht anerkannt und gilt völkerrechtlich als Teil Aserbaidschans.