Bereits mehr als 1,5 Millionen Ukraine-Geflüchtete
Der Flüchtlingsstrom aus der Ukraine reisst nicht ab: Täglich werden es mehr, die das Kriegsland verlassen können. Kanzler Scholz lobt die europäische Einigkeit. Doch es gibt auch Kritik.
Das Wichtigste in Kürze
- Nach mehr als einer Woche Krieg fliehen immer mehr Ukrainer aus ihrer Heimat - vor allem in EU-Länder.
Nach aktuellen Schätzungen der UN-Flüchtlingshilfsorganisation UNHCR sind bereits 1,5 Millionen vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine geflohen.
«Dies ist nun die am schnellsten wachsende Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg», teilte die Organisation am Sonntag auf Twitter mit.
Polen: 964.000 Flüchtlinge angekommen
Allein im ukrainischen Nachbarland Polen sind nach Angaben des Grenzschutzes seit Kriegsbeginn rund 964.000 Flüchtlinge aus dem Nachbarland eingetroffen. Allein am Samstag hätten 129.000 Menschen die Grenze passiert, teilte die Behörde am Sonntag per Twitter mit. Am Sonntag seien es bereits bis zum Nachmittag 81 400 gewesen. Die meisten hätten die Grenzübergänge Medyka und Korczowa genutzt.
Wie aus den Daten des polnischen Aussenministeriums hervorgeht, handelt es sich bei der Mehrheit der Geflüchteten um ukrainische Staatsbürger. Es sind aber auch Menschen aus Usbekistan, Belarus, Indien, Nigeria, Algerien, Marokko, den USA und mehreren anderen Ländern darunter.
Für die Unterbringung der Flüchtlinge bietet auch Polens Präsident Andrzej Duda einige Zimmer an. Auf Initiative von Polens First Lady Agata Kornhauser-Duda seien bereits seit mehreren Tagen Geflüchtete in zwei Dienstvillen des Präsidenten untergekommen, sagte Dudas Kanzleichef Adam Kwiatkowski der Nachrichtenagentur PAP am Sonntag. Die Präsidentengattin werde die Menschen dort bald besuchen.
Scholz lobt europäische Solidarität
Bundeskanzler Scholz äusserte sich nach seinem Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen lobend über die europäische Solidarität: «Es ist gut und eben nicht selbstverständlich, dass alle EU-Staaten gemeinsam, schnell und unbürokratisch Kinder, Frauen und Männer aufnehmen», erklärte er via Twitter. Es sei klar, dass Europa zusammenhalte. «Wir helfen gemeinsam denjenigen, die vor dem Krieg Zuflucht suchen. Und wir halten zusammen.»
«In diesem Krieg rückt Europa enger zusammen. Das zeigen die geschlossene Reaktion mit Sanktionen auf den russischen Angriff sowie die Bereitschaft, Geflüchtete aus der Ukraine aufzunehmen.» Darüber habe er mit der EU-Kommissionspräsidentin in Berlin gesprochen. Bei den Beratungen ging es den Angaben zufolge auch um den informellen Europäischen Rat am 10. und 11. März in Versailles.
Von der Leyen sprach im Anschluss von einem «guten Treffen». Beide Seiten würden «gemeinsam an der humanitären Lage, diplomatischen Initiativen, Sanktionen und der Energiesicherheit» arbeiten, twitterte die Kommissionschefin. Der Europäische Gipfel Mitte März werde «wichtige Signale» der europäischen Einheit und Stärke setzen, kündigte von der Leyen an.
Frankreich kritisiert Grossbritannien
Frankreich wirft derweil Grossbritannien einen unangemessenen Umgang mit Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine vor. Rund 150 Ukrainer, die über den Ärmelkanal zu Angehörigen nach Grossbritannien reisen wollten, seien von britischer Seite aufgefordert worden, erst in Paris oder Brüssel Visa zu beantragen, kritisierte Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin, wie die Zeitung «Le Parisien» am Sonntag berichtete. Am Vortag habe der Minister sich daher per Brief an seine britische Amtskollegin Priti Patel gewandt und eine «völlig unangemessene Antwort» und einen «Mangel an Menschlichkeit» moniert.
Nach französischen Angaben erwägt Grossbritannien mit Blick auf die Flüchtlinge aus der Ukraine, in Calais vorübergehend ein Konsulat einzurichten, um Ukrainern direkt vor Ort Visa auszustellen. «Es wird zwingend notwendig, dass Ihre konsularische Vertretung ausnahmsweise und für die Zeit der Krise in der Lage ist, Visa zur Familienzusammenführung direkt in Calais auszustellen», schrieb Darmanin nach Angaben der Zeitung. Es wäre unverständlich, wenn in ganz Europa und selbst in der Ukraine konsularische Verstärkung eingesetzt wird, aber nicht von Grossbritannien.
Der britische Justizminister Dominic Raab verteidigte unterdessen die britischen Visa-Regeln, wie die Nachrichtenagentur PA am Sonntag berichtete. Man müsse sicherstellen, dass nur die Menschen ins Land kämen, die wirklich Hilfe benötigten, und zwar echte Flüchtlinge. Britische Sicherheitskontrollen bei der Einreise dienten dazu, das sicherzustellen. Die Flüchtlinge kämen aus einem Kriegsgebiet, in dem auch ausländische Kämpfer aktiv seien. Alleine auf dem Wege der Familienzusammenführung erwarte Grossbritannien rund 200.000 Flüchtlinge aus der Ukraine, sagte Raab.
Moskau: 163.000 Menschen aus Ukraine evakuiert
Seit Beginn des Krieges in der Ukraine sind Angaben aus Moskau zufolge mehr als 163.000 Zivilisten nach Russland gebracht worden. «Aus der Zone, in der die militärische Spezial-Operation durchgeführt wird, wurden mehr als 163.000 Menschen evakuiert - darunter 42.729 Kinder», teilte der zuständige Koordinierungsstab am Sonntagabend nach Angaben der Agentur Interfax in Moskau mit. Moskau hatte bereits vor Beginn der Invasion in die Ukraine mit der Evakuierung von russischen Zivilisten aus dem Donbass begonnen.