US-Armee attackiert erneut pro-iranische Milizen im Irak

Einen Tag nach der gezielten Tötung des einflussreichen iranischen Generals Kassem Soleimani sowie des Vizechefs der Hasched-al-Schaabi-Milizen im Irak hat die US-Armee einen Konvoi der pro-iranischen Milizen attackiert.

Anhänger der Hasched-al-Schaabi-Miliz vor der US-Botschaft in Bagdad - AFP/Archiv

Das Wichtigste in Kürze

  • Die USA haben am Samstagmorgen erneut einen Konvoi der pro-iranischen Milizen angegriffen.
  • Kurz zuvor sagte US-Präsident Trump, dass er keinen Krieg mit dem Iran wolle.
  • Die Befürchtungen einer Gewalteskalation zwischen den Ländern werden immer grösser.

Der Angriff sei am frühen Samstagmorgen nördlich von Bagdad erfolgt und habe sich gegen einen Kommandanten der Hasched-al-Schaabi-Milizen gerichtet, berichtete das irakische Staatsfernsehen. Wie die Nachrichtenagentur AFP aus Polizeikreisen erfuhr, soll es bei dem Angriff auf die Fahrzeuge «Tote und Verletzte» gegeben haben.

Zur Zahl der Opfer äusserte sich die Polizei nicht. Die USA kommentierten den Angriff zunächst nicht. Donald Trump hat jedoch seinen Fahnen-Post vom Vortag noch einmal geteilt.

Trauermarsch für Soleimani am Samstag

Die Attacke erfolgte nur wenige Stunden vor dem geplanten Beginn eines Trauermarsches für Soleimani und den Vizechef der Hasched-al-Schaabi-Milizen im Irak, Abu Mehdi al-Muhandis. Beide waren in der Nacht zum Freitag durch einen US-Drohnenangriff nahe des Flughafens von Bagdad getötet worden.

Ein Demonstrant in Bagdad mit einem Foto des getöteten Soleimani - AFP

Am Samstag findet im Irak ein Staatsbegräbnis für al-Muhandis statt, das mit einer Prozession in Bagdad beginnt und mit der Bestattung in der heiligen Stadt Nadschaf endet.

Insgesamt waren bei dem Drohnenangriff in der Nacht zum Freitag fünf Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden und fünf Mitglieder der Hasched-al-Schaabi-Milizen getötet worden.

Trump: «USA wollen keinen Krieg»

Dem Pentagon zufolge war die gezielte Tötung Soleimanis von US-Präsident Donald Trump angeordnet worden. In seiner ersten Ansprache nach dem Angriff sagte Trump, Soleimani sei der weltweite «Terrorist Nummer 1» gewesen.

Der Kommandeur der berüchtigten Al-Kuds-Brigaden der iranischen Revolutionsgarden habe «unmittelbar bevorstehende und finstere Angriffe auf US-Diplomaten und Militärangehörige» geplant. «Wir haben ihn auf frischer Tat ertappt und ausgeschaltet», sagte Trump.

US-Präsident Trump sagte, er wolle keinen Krieg mit dem Iran. - AFP

Der US-Präsident betonte zugleich, dass er keinen Krieg mit dem Iran wolle. «Wir haben vergangene Nacht gehandelt, um einen Krieg zu verhindern», sagte Trump am Freitag in Florida. Auch wolle die US-Regierung keinen Regimewechsel in Teheran herbeiführen.

Iran droht mit «Vergeltung»

International rief die Tötung Soleimanis jedoch Befürchtungen vor einer gefährlichen Gewalteskalation hervor. Der iranische Botschafter bei den Vereinten Nationen bezeichnete die Tötung von General Soleimani als «Kriegshandlung».

«Wir können unsere Augen nicht einfach vor dem verschliessen, was letzte Nacht passiert ist. Auf jeden Fall wird es Rache geben, eine harte Rache», sagte Majid Takht Ravanchi in einem Interview mit CNN.

Er forderte die USA zudem dazu auf, zu beweisen, dass der General einen bevorstehenden grossen Angriff auf amerikanische Interessen geplant habe.

Auch der einflussreiche irakische Schiitenführer Moktada al-Sadr zeigte sich erbost. Er rief seine vor gut einem Jahrzehnt offiziell aufgelöste Anti-US-Miliz wieder zum Kampf. Ein Kommandant der Hasched-al-Schaabi-Milizen rief seine Kämpfer ebenfalls in Alarmbereitschaft.

Der einflussreiche schiitische Geistliche Muktada al-Sadr hat seine vor einem Jahrzehnt aufgelöste Anti-US-Miliz wieder zum Kampf aufgerufen. - Keystone

Grosse Sorge vor Gewalteskalation

Als Reaktion setzte die Koalition gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) die Ausbildung von Sicherheitskräften der Kurden und der Zentralregierung im Irak aus.

Eine entsprechende Entscheidung traf das Hauptquartier zum Schutz der eigenen Kräfte, wie das Einsatzführungskommando der deutschen Bundeswehr den Obleuten im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages am Freitagabend mitteilte.

Dies sei für alle beteiligten Partnernationen der Anti-IS-Koalition bindend. Zu den beteiligten Nationen gehören neben den USA und Deutschland Grossbritannien, Frankreich, Australien, Italien, Belgien, Kanada sowie Jordanien.

Der Experte für bewaffnete schiitische Milizen, Phillip Smyth, bezeichnete den tödlichen Angriff auf Soleimani als bedeutendste Tötung in der US-Geschichte.

Er erwarte grössere Auswirkungen durch den tödlichen Angriff auf Soleimani als durch die Tötung des Al-Kaida-Anführers Osama bin Laden 2011 oder die Tötung des Anführers der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS), Abu Bakr al-Bagdadi im vergangenen Jahr.

Soleimanis hatte grossen Einfluss

Der 62-jährige Soleimani hatte nicht nur grosse militärische, sondern auch politische Macht. Bei der Ausweitung des iranischen Einflusses im Nahen Osten und der Golfregion spielte er eine zentrale Rolle.

So war er sogar an den Gesprächen zur irakischen Regierungsbildung beteiligt. Der Iran rief nach der Tötung Soleimanis eine dreitägige Staatstrauer aus.

Die iranische Flagge hängt auf Halbmast vor der iranischen Botschaft als Zeichen der Trauer. Der Kommandeur der iranischen Al-Kuds-Brigaden Soleimani ist bei einem US-Raketenangriff nahe dem Flughafen der irakischen Hauptstadt Bagdad getötet worden. - dpa

Auch Soleimanis Einfluss auf die schiitischen Milizen, aus denen das Hasched-al-Schaabi-Netzwerk im Irak besteht, war gross. Kämpfer und Anhänger der pro-iranischen Milizen waren am Dienstag zum US-Botschaftsgelände in Bagdad vorgedrungen.

Bei den folgenden Zusammenstössen zwischen US-Sicherheitskräften und Kämpfern der Milizen wurden dutzende Menschen verletzt. US-Aussenminister Mike Pompeo warf dem Hasched-al-Schaabi-Kommandanten al-Muhandis vor, hinter der Attacke auf die Botschaft zu stecken.

Der Militärkonvoi Von Kassem Soleimani wurde am Freitag in Bagdad von drei Raketen getroffen. - Twitter