Brexit: Britisches Unterhaus stimmt für umstrittenes Gesetz
Achtmal brüteten die Unterhändler aus London und Brüssel schon über einem Abkommen für die Zeit nach der Brexit-Übergangsfrist. Kommt der Durchbruch in Runde neun? Die Hürden sind hoch.
Das Wichtigste in Kürze
- Trotz aller Warnungen hat das britische Unterhaus für das umstrittene Binnenmarktgesetz gestimmt, mit dem Grossbritannien Teile des bereits gültigen Brexit-Deals mit der EU aushebeln will.
Mit 340 zu 256 Stimmen brachte Premier Boris Johnson das Gesetz mit einer klaren Mehrheit durch das Londoner Parlament. Als nächstes muss das Gesetz noch das Oberhaus passieren.
Die EU hatte Johnsons Pläne zuvor als Vertrauensbruch verurteilt und London aufgefordert, bis Ende September einzulenken. Die britische Regierung pocht jedoch darauf, das Gesetz werde als «Sicherheitsnetz» für den Fall eines harten Brexits gebraucht. Einige Abweichler in den eigenen Reihen hatte Johnson zuvor auf Linie gebracht, indem er ihnen weitere parlamentarische Kontrolle zugesichert hatte. Einige Torys, darunter auch Ex-Premierministerin Theresa May, hatten bis zuletzt Kritik geäussert. Ein Änderungsantrag der Labour-Partei, der die umstrittenen Passagen des Gesetzes ändern sollte, war am Dienstag zuvor abgelehnt worden.
Der Gesetzesplan widerspricht den im Vertrag vereinbarten Sonderregeln für Nordirland. Eine engere Bindung der britischen Provinz an den EU-Binnenmarkt und die Zollunion soll verhindern, dass auf der irischen Insel eine feste Grenze entsteht und frühere politische Unruhen wieder aufflammen.
Trotz des Konflikts mit der EU starteten die Verhandlungsteams beider Seiten am Dienstag in Brüssel in die neunte und vorerst letzte geplante Verhandlungsrunde über einen Handelspakt. Obwohl die Zeit immer knapper wird, stocken die Verhandlungen noch immer. Auch bei der neunten Verhandlungsrunde unter Leitung des britischen Chef-Unterhändlers David Frost und seines EU-Kollegen Michel Barnier sind die zentralen Streitpunkte das Thema Fischerei sowie die EU-Forderung nach gleichen Wettbewerbsbedingungen. Zum Jahreswechsel, wenn die Brexit-Übergangsphase ausläuft, droht der harte wirtschaftliche Bruch mit Zöllen und anderen Handelshürden.
Grossbritannien hat die EU bereits im Januar verlassen und scheidet nach einer Übergangsfrist zum Jahresende auch aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion aus. Das anvisierte Abkommen soll einen harten Bruch mit Zöllen und Handelshemmnissen verhindern.
Barniers Sprecher Dan Ferrie sagte am Dienstag nichts zum Stand der Gespräche. Man werde erst nach Abschluss der Runde am Freitag Bilanz ziehen, sagte er. Die Zeit drängt: Der britische Premierminister Boris Johnson hat eine Frist bis 15. Oktober gesetzt, die EU bis Ende Oktober, um noch Zeit zur Ratifizierung zu haben.