Bürger können unberechtigte Corona-Bussgelder zurückfordern

Alleine auf einer Parkbank sitzen und ein Buch lesen – zu Beginn der Corona-Pandemie konnte das in Bayern teuer werden. Inzwischen ist klar, dass die Staatsregierung damit übers Ziel hinausgeschossen ist. Nun macht sie sich an die versprochene Rückzahlung von Bussgeldern.

Polizisten stehen 2021 im Englischen Garten und kontrollieren, ob die Menschen die wegen Corona vorgeschriebenen Abstände einhalten (Archivbild). - Peter Kneffel/dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Nach der Niederlage der Staatsregierung vor dem Bundesverwaltungsgericht Ende 2022 können Bürgerinnen und Bürger ganz bestimmte unberechtigt verhängte Corona-Bussgelder nun zurückfordern.

Konkret geht es um Fälle, in denen Menschen zu Beginn der Pandemie zur Kasse gebeten wurden, weil sie alleine oder mit Angehörigen ihres Haushalts ihre Wohnung verliessen und sich im Freien aufhielten.

Das teilte das Gesundheitsministerium am Donnerstag nach Prüfung der inzwischen vorliegenden Urteilsbegründung mit. Die Betroffenen – dies dürften bayernweit einige Tausend sein – können die Rückzahlung demnach nun formlos bei den damals zuständigen Behörden beantragen.

Unbürokratische Abarbeitung

«Beim Thema Rückzahlungen setzen wir auf ein möglichst einfaches Vorgehen», sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). «Die Anträge auf Rückzahlung werden nun unbürokratisch abgearbeitet.»

Wenn das Bussgeld per Bussgeldbescheid verhängt wurde, entscheiden laut Ministerium die Bezirksregierungen über die Rückerstattungen. Die Anträge können dann bei den Kreisverwaltungsbehörden, die den Bussgeldbescheid erlassen haben, oder direkt bei der für die jeweilige Kreisverwaltungsbehörde zuständigen Regierung eingereicht werden.

Wurde das Bussgeld hingegen von einem Gericht ausgesprochen, sind die Justizbehörden für die Entscheidung über die Rückerstattung zuständig. «In diesen Fällen wird empfohlen, den Antrag bei dem Gericht, das in erster Instanz über die Geldbusse entschieden hat, oder bei der für dieses Gericht zuständigen Staatsanwaltschaft zu stellen», so die Erläuterung des Gesundheitsministeriums.

FDP-Fraktionschef Martin Hagen reicht das nicht: «Die Staatsregierung sollte die betroffenen Bürgerinnen und Bürger zumindest proaktiv über die Möglichkeit einer Rückzahlung informieren lassen, soweit dies durch die Verwaltungsbehörden bei vorliegenden Daten über die Bussgeldbescheide möglich ist.» Immerhin habe auch die Staatsregierung den Fehler zu verantworten. «Zuerst werden die Menschen rechtswidrig zuhause eingesperrt und jetzt sollen sie auch noch selbst ihrem Geld hinterherlaufen – das ist respektlos gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern.»

Urteil: Ausgangsbeschränkungen unverhältnismässig und unwirksam

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte Ende November 2022 geurteilt, dass die strengen Ausgangsbeschränkungen des Freistaats im April 2020 unverhältnismässig und unwirksam waren. «Das ganztägig und damit auch während der Tagstunden geltende Verbot, die eigene Wohnung zum Verweilen im Freien zu verlassen, war ein schwerer Eingriff in die Grundrechte der Adressaten», entschieden die Verwaltungsrichter.

Die Staatsregierung hatte daraufhin eine Rückzahlung von unberechtigt verhängten Bussgeldern angekündigt – aber erst nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsgründe des Bundesverwaltungsgerichts.

Insgesamt waren im fraglichen Zeitraum – vom 1. bis 19. April 2020 – bayernweit rund 22.000 Bussgelder wegen Verstössen gegen die damalige Ausgangsbeschränkung verhängt worden. Nur ein Teil der Betroffenen – die genaue Zahl ist unklar – kann aber nun auf Rückzahlung hoffen: eben wenn sie ein Bussgeld explizit deshalb bezahlen mussten, weil sie ihre Wohnung damals verliessen, «um alleine oder mit Angehörigen des eigenen Hausstands im Freien zu verweilen». Holetschek betonte, dass in allen anderen Fällen keine Geldbussen zurückgezahlt würden. Etwa wenn Bussgelder verhängt wurden, weil Menschen die eigene Wohnung verlassen haben, um andere zu treffen oder gar Partys zu feiern.

Grundsätzlich hält die Staatsregierung ihren damaligen Kurs immer noch für richtig. «Der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig lässt sich entnehmen, dass gegen die Anordnung einer Ausgangsbeschränkung im Allgemeinen als Mittel der Pandemiebekämpfung keine Bedenken bestehen», argumentierte Holetschek. «Das bestätigt grundsätzlich unsere damalige Entscheidung, die Ausbreitung des Virus mit dem Mittel der Ausgangssperre zu verlangsamen.» Es sei zu Beginn der Pandemie besonders wichtig gewesen, rasch und entschlossen zu handeln. «Dabei war unser Ziel immer der Schutz von Menschenleben.»