Expertin: Sicherheitsgefühl von Juden in Deutschland erschüttert

Viele Juden fühlen sich nach Einschätzung einer Beratungsstelle auch in Deutschland unsicher. Die Hamas-Angriffe riefen vergangene Traumatisierungen hervor.

St. Galler Polizei hat seit dem 7. Oktober 2023 zwei Vorfälle mit antisemitischem Hintergrund registriert. (Symbolbild) - Jörg Sarbach/dpa

Der Terrorangriff der Hamas auf Israel mit weit über 1000 Toten hat nach Einschätzung einer Beratungsstelle auch das Sicherheitsempfinden von Juden in Deutschland massiv erschüttert. «Im Moment leben die Menschen unter akuter Belastung», sagte die Leiterin der deutschlandweiten Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung (OFEK), Marina Chernivsky, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Viele Juden seien angesichts der schrecklichen Nachrichten aus Israel, angesichts des terroristischen Angriffs der Hamas geschockt, verstört, unsicher. Die Ereignisse riefen auch Traumatisierungen hervor in Verbindung mit der Vergangenheit: «Die Erfahrungen der Verfolgung und anderer Kriege vermengen sich mit diesem Angriff.» Hinzu komme, dass viele Juden vom Ukraine-Krieg stark betroffen seien, weil einige ihre Wurzeln in dem Land hätten.

Auch Fälle von körperlicher Gewalt gemeldet

Verstärkt werde diese Belastung durch antisemitische Vorfälle in Deutschland. Chernivsky sprach von psychischer und verbaler Gewalt oder Hetze im Netz. Auch Fälle körperlicher Gewalt im Rahmen von Demonstrationen seien der Beratungsstelle gemeldet worden.

«Hinzu kommt eine antisemitische Grundstimmung auch in der Breite der Gesellschaft.» Angesichts dieser Gemengelage glaubt Chernivsky: «Das Sicherheitsgefühl von jüdischen Menschen in Deutschland schwindet auf lange Zeit.»

Die Beratungsstelle OFEK mit Sitz in Berlin hat in mehreren deutschen Bundesländern unterschiedliche Beratungsangebote für die jüdische Community. Sie unterstützt auch Lehrkräfte oder Fach- und Führungskräfte aus Vereinen oder Ermittlungsbehörden im Umgang mit Antisemitismus. Zu den Angeboten gehören Hotlines. Die Einrichtung arbeite mithilfe vieler Freiwilliger «im Krisenmodus», die Zahl der Anrufe habe sich verdoppelt.