Förster rettet verirrtes Kind - Julia geht es gut
Der tschechische Förster Martin Semecky erzählt, wie er die kleine Julia im tiefsten Böhmerwald wiedergefunden hat. Er gilt jetzt als Held in Tschechien. Doch die Aufmerksamkeit ist ihm eher unangenehm.
Das Wichtigste in Kürze
- Zwei Tage und zwei Nächte verbrachte die achtjährige Julia aus Deutschland ganz allein im tschechischen Böhmerwald.
Das Glück, sie lebend gefunden zu haben, ist für den Förster Martin Semecky noch immer überwältigend.
«Das war ein unglaubliches Gefühl, diese Emotionen kann man gar nicht mit Worten beschreiben», sagte der Tscheche am Mittwoch. Dem Mädchen geht es nach Angaben der Polizei mittlerweile wieder gut.
Was nur ein Ausflug sein sollte, wurde zu einem Martyrium: Das Mädchen aus Berlin war am späten Sonntagnachmittag beim Wandern mit ihrer Familie im bayerisch-tschechischen Grenzgebiet spurlos verschwunden. Semecky und seine Kollegen suchten in Absprache mit der Einsatzleitung ein Waldstück ab, das knapp ausserhalb des offiziellen Suchradius lag.
Auf einmal hätten sie die kleine Julia vor sich gesehen, erzählte der Förster. «Sie sass etwa zehn Meter weit weg im hohen Gras.» Als er ihren Namen gesagt habe, habe das Kind nur mit dem Kopf genickt. Er habe gesagt: «Alles ist gut, super!» Dann wickelte er sie in seine grüne Jacke, alarmierte die Einsatzzentrale. Semecky würdigte nun die Ausdauer des Mädchens in der Natur: «Um das zu schaffen, muss sie sehr geschickt gewesen sein.»
Nach Angaben der bayerischen Polizei ist Julia in gesundheitlich guter Verfassung. «Es geht ihr eigentlich relativ gut», sagte der Sprecher des Polizeipräsidiums Oberpfalz, Josef Weindl. Die erste Nacht habe sie in einem Krankenhaus in einem Wärmebett verbracht, weil sie nach den zwei kalten Nächten im Wald unterkühlt gewesen sei. «Sie zeigt äusserlich keine Verletzungen», erklärte Weindl. «Sie spricht und ist so weit unauffällig.»
Julia wurde rund einen Kilometer entfernt von einer Quelle gefunden, die Ceska studanka heisst. Sie soll Trinkwasserqualität haben. Doch ob das Mädchen es bis dahin geschafft hat, war unklar. «Wir wollten sie nicht mit Fragen belasten», sagte der Förster. «Sie wirkte verängstigt, ganz allein im Wald - ohne ihre Eltern.»
Selbst auf direktem Wege muss das Kind mehr als zwei Stunden gewandert sein, um zu der Stelle zu gelangen, wo es gefunden wurde. Dann habe sie möglicherweise entschieden, auszuharren und auf Hilfe zu warten. Doch sie könnte auch längere Zeit im Kreis gelaufen sein. «Vielleicht werden wir es später einmal erfahren», meint Semecky. «Hauptsache, es ist gut ausgegangen.»
An der nervenaufreibenden Suche im Gebiet zwischen den Städten Waldmünchen, Furth im Wald und Domazlice (Taus) hatten sich rund 1400 Rettungskräfte aus Bayern und Tschechien beteiligt. Über dem Wald kreisten Hubschrauber mit Wärmebildkameras. Suchhunde nahmen eine Fährte auf - verloren sie aber wieder. Der deutsche Botschafter in Prag, Andreas Künne, dankte der tschechischen Polizei für ihre Arbeit.
Bei Martin Semecky, der wie ein Held gefeiert wird, überschlagen sich nun die Anfragen der Medien. Nicht nur aus Tschechien, sondern auch aus Deutschland. Dem Mitarbeiter der städtischen Forstverwaltung von Domazlice (Taus), der sein Revier wie kein anderer kennt, scheint das eher unangenehm zu sein. Er müsse jetzt weiterarbeiten, so Semecky am Telefon und verabschiedet sich.