Im Brüsseler Terrorprozess fällt Schuldspruch
Am Dienstagabend fielen nach sieben Jahren die Schuldsprüche im «Terrorprozess» zu den Brüsseler Anschlägen von 2016.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Jahr 2016 wurden bei islamistischen Anschlägen in Brüssel 32 Menschen getötet.
- Drei weitere starben an den Folgen, 340 Personen wurden verletzt.
- Am 05. September fielen die Beschlüsse zur Schuldsprechung der Täter.
Am Dienstagabend versammelten sich Opfer, Angehörige, Zuschauer und Journalisten im Gerichtssaal in Brüssel. Unter grosser Anspannung wurde die Entscheidung der Geschworenen zu den Schuldsprüchen der islamistischen Anschläge von 2016 bekanntgegeben. Diese wurden von der Präsidentin des Gerichts verlesen.
Verhandelt wurden dabei ausschliesslich die Schuldsprüche, die Sitzung zog sich bis in die Nacht zum Mittwoch. Über die Art und Gewichtung der Strafen wird ab September entschieden. Zwei angeklagte Brüder erhielten einen Freispruch in allen Anklagepunkten.
Insgesamt 35 Todesopfer, 340 Verletzte
Bei den Terroranschlägen am Flughafen der belgischen Hauptstadt und in einer U-Bahn-Station am 22. März 2016 starben 32 Menschen, 340 wurden verletzt. Auch für drei weitere Personen, die nach den Anschlägen durch Krankheit oder Suizid starben, werden nach Entscheidung der Geschworenen die Angeklagten zur Rechenschaft gezogen. Die offizielle Zahl der Todesopfer erhöhte sich damit auf 35.
Zusammen mit vermummten Sicherheitskräften sassen die Angeklagten am Dienstag in einem Glaskasten hinter ihren Verteidigern. Als es endlich losging, wurde es mucksmäuschenstill im eher trostlosen Saal. Sechs Angeklagte sind auch des versuchten terroristischen Mordes an fast 700 Menschen schuldig.
Ein Angeklagter in Syrien gestorben
Diese sechs und zwei weitere Angeklagte wurden der Beteiligung an Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung schuldig gesprochen, einer davon als Anführer. Ein Angeklagter fehlte jedoch vor Gericht: Es wird davon ausgegangen, dass er mittlerweile wohl in Syrien gestorben ist.
Für ihre 18-tägigen Beratungen war die Jury an einem unbekannten Ort untergebracht und von der Aussenwelt völlig abgeschottet. Besonders zufrieden mit ihrem Urteil im Terrorprozess war Anwalt Michel Degrève, der einen der freigesprochenen Brüder vertrat. Man sei «sehr zufrieden» mit dem Ergebnis, sagte er. «Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan.»
Drahtzieher hinter Bataclan-Anschlag in Paris auch vor Gericht
Der prominenteste Angeklagte war wohl Salah Abdeslam, der als Drahtzieher bei den Pariser Anschlägen gilt: Vor den Anschlägen in Brüssel hatten Extremisten bei einer Anschlagsserie am 13. November 2015 in der französischen Hauptstadt 130 Menschen getötet und 350 weitere verletzt. Die Anschläge in Paris und Brüssel wurden wohl von derselben Terrorzelle eingefädelt, daher standen von den in Paris Verurteilten auch sechs in Brüssel vor Gericht.
Abdeslam wurde in Brüssel wegen Beteiligung an Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung, terroristischen Mordes und versuchten terroristischen Mordes schuldig gesprochen – und das, obwohl er sich am Tag des Anschlags im Gefängnis befand. Er wurde bereits im Prozess um die Anschläge in der französischen Hauptstadt zu lebenslanger Haft verurteilt und in einem separaten Verfahren zu 20 Jahren Gefängnis, weil er kurz vor seiner Festnahme in Brüssel 2016 auf Polizisten geschossen hatte.
Riesiges Interesse am Terrorprozess mit über 900 Nebenklägern
Schuldig in allen drei Punkten wurde auch der Angeklagte Mohamed Abrini gesprochen. Er sollte am Flughafen Zaventem eigentlich eine weitere Bombe zünden, flüchtete aber und wurde durch Überwachungsbilder als «Mann mit Hut» bekannt. Auch er wurde bereits in Paris zu lebenslanger Haft verurteilt.
Das öffentliche Interesse am Terrorprozess war riesig: Mit mehr als 900 Nebenklägerinnen und -klägern wurde er deshalb in den umgebauten Räumlichkeiten des früheren Nato-Hauptquartiers im Nordosten der Stadt geführt.
Terrorprozess: Auftakt lief alles andere als glatt
Begonnen hatte der Terrorprozess holprig und war über Wochen von juristischen Kleinkriegen geprägt. Wegen eines Streits über die Sicherheitsvorkehrungen musste etwa der ursprünglich für Mitte Oktober geplante Beginn um knapp zwei Monate verschoben werden. Zwischendurch hatten die Angeklagten auch nicht am Prozess teilgenommen – aus Protest gegen ihre Transportbedingungen und die regelmässigen Durchsuchungen, bei denen sie sich ausziehen mussten.
Opfer und Opferorganisationen hatten in den vergangenen Jahren immer wieder unzureichende und komplizierte Unterstützung des Staats beklagt. Die Anwältin Maryse Alié, die für die Organisation Life4Brussels (Leben für Brüssel) die Opfer vertritt, sagte in der Nacht zum Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur, es seien zwar teilweise Entscheidungen gefallen, die ein Berufsrichter anders getroffen hätte.
«Aber insgesamt begrüssen wir dieses Urteil, die Arbeit der Geschworenen, ihre Konzentration, ihre Entschlossenheit und ihre Hingabe. Von Anfang an war es eine gute Übung der Gerechtigkeit.» Um das Strafmass für die Verurteilten wird es ab September gehen. Dann werden die Geschworenen sich im Terrorprozess erneut beraten.