Iran: «Terrorakt» in Atomanlage Natans
Ein «Zwischenfall» in der Atomanlage Natans sorgt für Unruhe im Iran und Hardliner im Parlament zeigen Präsident Ruhani an. Und das, bevor in Wien die Atomverhandlungen in eine neue Runde gehen.
Das Wichtigste in Kürze
- In der iranischen Atomanlage Natans ist es nach Angaben der Atomorganisation AEOI in der Nacht zum Sonntag zu einem «Terrorakt» gekommen.
«Wir verurteilen den Terrorakt in Natans als einen Versuch der Feinde des Irans den nuklearen Fortschritt im Land zu verhindern», sagte AEOI-Chef und Vizepräsident Ali Akbar Salehi am Sonntag. Ein weiteres Ziel des Angriffes sei es gewesen, die Atomverhandlungen in Wien zu sabotieren, teilte Salehi in einer Presseerklärung mit.
AEOI-Sprecher Behrus Kamalwandi hatte zuvor von einem «Zwischenfall» in einer Werkstatt ausserhalb der eigentlichen Anlage gesprochen. Ursache und Ausmass müssten noch untersucht werden. Es sei niemand ums Leben gekommen und die Anlage selbst habe ihre Arbeit wieder aufgenommen. Zuvor war auch von einem Stromausfall die Rede gewesen und ein Sabotageakt wurde nicht ausgeschlossen. Die «Jerusalem Post» meldete den Verdacht, ein Cyberangriff Israels könne eine Explosion ausgelöst haben.
In Natans werden neue iranische Zentrifugen zur Urananreicherung hergestellt und es wird dort Uran angereichert - derzeit bis auf 20 Prozent. Die Anlage war mehrfach Ort von Vorfällen oder Anschlägen, die Israel zugeschrieben wurden, das eine atomare Bewaffnung des Irans verhindern will.
Schon im letzten Sommer hatte es in Natans in einer Arbeitshalle zum Bau hochmoderner Zentrifugen eine schwere Explosion gegeben. Der Hintergrund blieb unklar. Die Rede war damals von einem Sabotageakt Israels, aber offiziell bestätigt wurde dies nie. In 2007 hatte zudem eine Explosion in der Energieversorgung Dutzende Zentrifugen in Natans zerstört. 2010 wurden dort sogar mehr als 1000 Zentrifugen durch Steuerungsbefehle des Schadvirus Stuxnet zerstört, der von Israel und den USA entwickelt worden sein soll. Trotz der Vorfälle konnte der Iran im März 2021 mit dem Einsatz neuer IR-4-Zentrifugen zur unterirdischen Urananreicherung in Natans beginnen.
Israel betrachtet das iranische Atomprogramm als eine ernsthafte Gefahr, denn der Iran verfügt über Raketen mit einer Reichweite bis zu 2000 Kilometern, die jeden Ort Israels treffen könnten. Würden die Raketen mit Atomsprengköpfen ausgerüstet, wäre Israels Existenz ernsthaft bedroht. Teheran betont, keine Atomsprengköpfe zu besitzen und die Raketen nur im Falle eines Vergeltungsschlags einzusetzen.
Der israelische Verteidigungsminister Benny Gantz sagte am Sonntag nach einem Gespräch mit seinem US-Kollegen Lloyd Austin: «Teheran stellt heute eine strategische Bedrohung der gesamten Region dar.» Am 4. Januar hatte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bekräftigt, dass Israel dem Iran die Herstellung von Atomwaffen nicht gestatten werde. Sein Energieminister Juval Steinitz erklärte im Februar, der Iran könne binnen sechs Monaten genug Uran für eine Atombombe produzieren.
Am Sonntag gab es zudem einen politischen Zwischenfall in Teheran. Das Parlament warf Präsident Hassan Ruhani vor, verabschiedete Gesetze missachtet zu haben. Wie die Nachrichtenagentur Fars am Sonntag berichtete, stimmten 190 der 235 anwesenden Mandatsträger für eine Anzeige Ruhanis. Beobachter sahen einen Zusammenhang mit der neuen Suche in Wien nach einem Kompromiss mit den USA über das derzeit ausgehebelte Atomabkommen. Rechtliche Schritte gegen einen Präsidenten sind ein Novum im Iran und es blieb unklar, wie ein Verfahren gegen Ruhani aussehen könnte. Ruhani steht für das Atomabkommen, das von den Hardlinern im Parlament bekämpft wird.
Schon nach ihrem Sieg bei der Parlamentswahl im Februar 2020 wollten die Hardliner eine Einbestellung und letztendlich den Rücktritt des Präsidenten. Ruhani habe mit einer prowestlichen Politik und dem Wiener Atomabkommen von 2015 die Islamische Republik von ihren ideologischen Zielen entfernt, hiess es. Ausserdem hätten seine Reformen das Land in eine schlimme Wirtschaftskrise geführt.
Im Oktober 2020 forderte einer der Abgeordneten sogar Ruhanis Hinrichtung, weil der Präsident Verhandlungen mit den USA vorgeschlagen hatte, um das Land aus der Wirtschaftskrise zu führen. Ruhani wirft seinerseits den Hardlinern vor, nationale Interessen für Machtkämpfe vor der Präsidentenwahl im Juni zu opfern.
Am Dienstag werden in Wien die Atomverhandlungen zwischen dem Iran und den fünf verbliebenen Partnern - China, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Russland - fortgesetzt. Dabei geht es um die Rückkehr der USA und des Irans zu den Vereinbarungen von 2015. Der Iran ist laut Ruhani grundsätzlich bereit, seine Verpflichtungen aus dem Abkommen wieder einzuhalten, wenn US-Präsident Joe Biden das Abkommen wieder vertragsgerecht umsetze. Ruhani geht es insbesondere um die Aufhebung der Sanktionen, die Bidens Vorgänger Donald Trump nach seinem Ausstieg aus dem Deal 2018 gegen den Iran verhängt hatte. Bei einer Aufhebung der US-Sanktionen würden auch die Chancen der Reformer um Ruhani bei der Präsidentenwahl wieder steigen.