Israels Präsident beauftragt Netanjahu mit Regierungsbildung

Netanjahu hat bei der Wahl in Israel zwar eine Schlappe erlitten. Auch sein Herausforderer Gantz erzielte jedoch keine Mehrheit im Parlament. Weil Netanjahu mehr Empfehlungen hat, soll er nun die Regierung bilden. Ob ihm das gelingen wird, ist jedoch zweifelhaft.

Benjamin Netanjahu hat einen Unterstützer mehr als sein oppositioneller Herausforderer Benny Gantz vom Mitte-Bündnis Blau-Weiss. Für eine Mehrheit in der Knesset reicht das aber nicht. Foto: Ilia Yefimovich - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Gut eine Woche nach der Wahl in Israel hat Staatspräsident Reuven Rivlin den rechtskonservativen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu erneut mit der Regierungsbildung beauftragt.

Netanjahus Likud hat zwar bei der Wahl am 17. September mit 32 Mandaten einen Sitz weniger als Gantz' Blau-Weiss bekommen. Insgesamt haben ihn aber 55 Abgeordnete für das Amt des Regierungschefs empfohlen - eine Stimme mehr als Gantz erhalten hat. Weder Netanjahus rechts-religiöses Lager noch das Mitte-Links-Lager haben allerdings eine Mehrheit von 61 der 120 Sitze im Parlament.

Netanjahu sagte, angesichts der Herausforderungen - vor allem der Bedrohung durch den Iran - seien eine Einheitsregierung und eine «nationale Versöhnung» notwendig. «Wir haben einen harten Wahlkampf hinter uns und wir müssen das Volk einen», sagte er. Angesichts der erwarteten Veröffentlichung des Friedensplans von US-Präsident Donald Trump sagte der Likud-Chef: «Wir können eine nationale Einigung im Rahmen des Jahrhundertplans von Trump nur dann erzielen, wenn wir eine breite Front bilden.»

Rivlin erteilte ihm am Mittwochabend in seinem Amtssitz in Jerusalem offiziell das Mandat. «Ich nehme die Aufgabe an», sagte Netanjahu. Er rief zur raschen Bildung einer breiten Einheitsregierung auf. Verhandlungen zur Bildung einer grossen Koalition von Netanjahus Likud mit dem oppositionellen Mitte-Bündnis von Ex-Militärchef Benny Gantz waren aber zuvor gescheitert. Sollte Netanjahu die Regierungsbildung nicht gelingen, gelten Neuwahlen binnen weniger Monate als wahrscheinlich.

Staatspräsident Rivlin sagte, er habe Netanjahu und Gantz die Bildung einer grossen Koalition mit gleichwertiger Machtverteilung vorgeschlagen. «Das Volk will keine weiteren Wahlen, darüber herrscht Einigkeit», bekräftigte Rivlin. «Ohne Kompromisse wird es keine Regierung geben.» In dem Fall sei es der Bürger, der den Preis bezahlen werde.

Der israelische Wahlausschuss hatte vorher mitgeteilt, Hintergrund der leichten Verschiebung der Ergebnisse zugunsten des Likuds sei unter anderem mutmasslicher Wahlbetrug in sechs Wahllokalen, deren Ergebnisse disqualifiziert würden. Die strengreligiöse Partei Vereinigtes Tora-Judentum rutschte von acht auf sieben Mandate. Die Wahlbeteiligung lag bei 69,83 Prozent, etwas höher als bei der Wahl im April mit 68,46 Prozent.

In Israel herrscht angesichts des knappen Ausgangs der Wahl politische Ungewissheit. Netanjahu und Gantz hatten sich offiziell beide für eine grosse Koalition ausgesprochen. Es gab jedoch Streit darüber, wer sie anführen sollte.

Netanjahu, der bereits seit 2009 Ministerpräsident ist, hatte direkt nach der Wahl einen Block mit den rechten und religiösen Parteien gebildet und besteht darauf, diese mit in ein Regierungsbündnis aufzunehmen. Gantz hatte jedoch vor der Wahl angekündigt, er strebe eine säkulare grosse Koalition an.

Gantz hatte ausserdem bereits vor der Wahl auch eine Regierung mit Netanjahu als Ministerpräsident abgelehnt. Als Grund nannte er die Korruptionsvorwürfe gegen Netanjahu, zu denen es am 2. Oktober eine Anhörung geben wird. Danach droht Netanjahu eine Anklage in drei Fällen. Netanjahus Likud-Partei betont jedoch, es gebe keinen alternativen Kandidaten für das Amt des Regierungschefs.

Nach Medienberichten wirft Blau-Weiss Netanjahu vor, er strebe in Wahrheit eine dritte Wahl an. Nach der Wahl im April war Netanjahu bereits bei der Regierungsbildung gescheitert, obwohl der rechts-religiöse Block eine Mehrheit hatte. Sein Rivale Avigdor Lieberman, Vorsitzender der ultrarechten Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) hatte Netanjahu wegen eines Streits um die Wehrpflicht auch für ultra-orthodoxe Männer die Unterstützung verweigert.

Der vom Präsidenten beauftragte Kandidat hat für gewöhnlich bis zu sechs Wochen Zeit für die Bildung einer Regierung. Diesmal könnte dieser Zeitrahmen sich nach Medienberichten verkürzen. Falls Netanjahu scheitern sollte, müsste er das Mandat zur Regierungsbildung möglicherweise an Gantz abgeben, der dann ebenfalls sein Glück versuchen könnte. Diese Entscheidung liegt aber bei Rivlin, er kann das Mandat auch direkt an die Knesset geben. Diese könnte dann versuchen, einen anderen Abgeordneten zu finden, der eine Mehrheit von 61 Sitzen erzielen kann.

Netanjahu hatte sich früher für die Einrichtung eines entmilitarisierten Palästinenserstaates an Israels Seite ausgesprochen. Inzwischen ist er jedoch von der Idee einer Zwei-Staaten-Lösung abgerückt. Vor dem Urnengang hatte er erklärt, im Falle eines Wahlsiegs wolle er das Jordantal im besetzten Westjordanland annektieren. Dies löste international Kritik aus, auch aus Deutschland. Jordaniens König Abdullah II. warnte bei einem Besuch in Berlin, ein solcher Schritt Israels würde sich negativ auf die Beziehungen mit Jordanien und Ägypten auswirken. Es sind die einzigen arabischen Länder, die einen Friedensvertrag mit dem benachbarten Israel unterzeichnet haben.