Maas stösst mit Idee für Nato-Reform auf positive Resonanz
Hirntot oder nur leicht kränkelnd? Nach den jüngsten Streitigkeiten in der Nato ist Bundesaussenminister Heiko Maas der Meinung, dass die Allianz dringend eine Reform benötigt. Er ist nicht der einzige.
Das Wichtigste in Kürze
- Bundesaussenminister Heiko Maas ist mit seiner Initiative zur Reform der Nato auf positive Resonanz bei den Bündnispartnern gestossen.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte am Mittwoch beim Treffen der 29 Aussenminister des Bündnisses in Brüssel, viele Teilnehmer hätten den deutschen Vorschlag zur Einsetzung einer Expertenkommission unterstützt. Er selbst nannte ihn «wertvoll». Maas zeigte sich zufrieden. «Ich bin sehr zuversichtlich aufgrund der Wortmeldungen, die es gegeben hat.»
Maas hatte seine Initiative als Reaktion auf die scharfe Kritik des französischen Präsidenten Emmanuel Macron an der Nato gestartet. Eine Expertenkommission unter Leitung Stoltenbergs soll Vorschläge machen, wie die politische Zusammenarbeit verbessert werden kann. Frankreichs Aussenminister Jean-Yves Le Drian forderte, dass es dabei auch um die Beziehungen zu Russland gehen müsse. Die dürften nicht in der Sackgasse stecken bleiben.
US-Aussenminister Mike Pompeo zeigte sich grundsätzlich offen für die Einsetzung von Expertengruppen. «Jede Institution und jede Struktur, die geschaffen wurde, sollte ständig dahingehend bewertet werden, ob sie richtig dafür aufgestellt ist, um ihre Ziele zu erreichen», sagte er. Das gelte mit Sicherheit auch für die Nato.
Die Nato-Aussenminister bereiten in Brüssel bis zum Donnerstag den Gipfel zum 70. Jubiläum der Nato vor, der am 3. und 4. Dezember in London stattfindet. Dabei müssen sich die Staats- und Regierungschefs auf eine Grundsatzdebatte einstellen, ob das Bündnis in seiner jetzigen Form noch zeitgemäss ist. Hauptverantwortlich dafür ist Macron, der die Nato für «hirntot» erklärt und mehr europäische Eigenständigkeit gefordert hat.
Maas reagiert darauf mit seiner Initiative für eine Wiederbelebung der Nato. «Dazu brauchen wir politische Frischzellen - in einem Prozess, der zentrale transatlantische Fragen in den Blick nimmt», sagte der SPD-Politiker. Die Nato sei die «Lebensversicherung Europas». Daher müsse vor allem Europa ein Interesse daran haben, dieses «Erfolgsmodell» fortzuschreiben und spalterischen Tendenzen entgegenzutreten.
Innerhalb der Bundesregierung besteht Einvernehmen über die Initiative. Regierungssprecher Steffen Seibert begrüsste sie am Mittwoch und das Verteidigungsministerium erklärte, dass es bei der Suche nach Experten helfen würde. Zuletzt hatte es erheblichen Ärger zwischen Maas und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer wegen des Vorstosses der CDU-Chefin für eine UN-Schutztruppe in Nordsyrien gegeben.
Neben Macrons Kritik sind die Alleingänge der USA und Türkei in Syrien Auslöser für die jetzige Maas-Initiative. Die USA hatten sich aus Nordsyrien zurückgezogen und damit den Weg für eine türkische Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG freigemacht, die bei fast allen anderen Bündnispartnern auf Kritik stiess.
Nach den Vorstellungen Maas' könnte die Reformkommission schon beim Gipfel in London beschlossen werden. Sie soll mit hochrangigen Persönlichkeiten, zum Beispiel ehemaligen Aussen- und Verteidigungsministern, besetzt und von Stoltenberg geleitet werden.
In Deutschland stösst der Vorschlag in Koalition und Opposition allerdings auf Skepsis. Der Aussenminister würde dem Bündnis eher einen Dienst erweisen, wenn er «die de-facto-Blockade der SPD Richtung zwei Prozent» aufheben würde, sagte der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef Johann Wadephul der Deutschen Presse-Agentur. Gemeint ist das Nato-Ziel, dass alle Mitgliedstaaten zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben. Deutschland ist trotz eines Aufwärtstrends immer noch weit davon entfernt.
Dem stellvertretenden FDP-Fraktionschef Alexander Graf Lambsdorff geht der Maas-Vorschlag nicht weit genug. Der Nato-Gipfel müsse Stoltenberg stattdessen mit der Ausarbeitung einer neuer Strategie beauftragen, sagte er der dpa. «Die letzte stammt aus dem Jahr 2010 und ist längst überholt.»
Der Grünen-Aussenpolitiker Omid Nouripour hat an der Maas-Initiative dagegen grundsätzlich nichts auszusetzen. Aber die Verantwortlichen müssten dann auch bereit sein, sich den Ratschlägen der Experten zu stellen. «Zu oft waren Expertengremien bisher Verschiebebahnhöfe für Verantwortung.»