Medizinerin: Männer häufiger Opfer von häuslicher Gewalt

Viel zu viele Frauen sind der Gewalt ihrer Partner ausgesetzt. Genaue Zahlen dazu liegen nicht vor, es gibt ein riesiges Dunkelfeld. Es gibt aber auch häusliche Gewalt gegen Männer. Ein Phänomen, das kaum erforscht sei, sagt eine Rostocker Rechtsmedizinerin.

Im Untersuchungsraum der Opferambulanz am Institut für Rechtsmedizin zeigt eine Assistenzärztin den dokumentierten Fall einer Verletzung bei einem Mann. Foto: Bernd Wüstneck/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Männer werden nach Einschätzung der Rechtsmedizinerin Verena Kolbe wesentlich häufiger Opfer von häuslicher Gewalt als offizielle Zahlen vermuten lassen.

Die Thematik sei bei den Betroffenen höchst schambesetzt und sie zeigten diese Delikte daher nur selten an, erläuterte die Fachärztin am Institut für Rechtsmedizin der Unimedizin Rostock.

Kolbe rief deshalb Rettungsdienste, Notaufnahmen und niedergelassene Ärzte auf, auch bei Männern auf Spuren häuslicher Gewalt zu achten. Betroffene Männer sollten wissen, dass sie mit ihren Nöten genauso behandelt werden wie Frauen. Sie berichtete darüber zusammen mit dem Chef der Rechtsmedizin der Unimedizin Rostock, Andreas Büttner, im «Deutschen Ärzteblatt» (Montag).

Im Jahr 2018 wurden nach Angaben des Bundeskriminalamts 324 Frauen und 97 Männer Opfer versuchter und vollendeter Tötungen durch ihre (Ex-)Partner. Im gleichen Jahr wurden deutschlandweit nach diesen Angaben rund 26.000 Männer Opfer von häuslicher Gewalt, gleichzeitig wurde das Delikt aber an 114.000 Frauen begangen.

Es sei zu beobachten, dass ein Grossteil der von Gewalt betroffenen Männer zuvor selbst gegen die Partnerin gewalttätig geworden sei, sagte Kolbe. Gleichzeitig seien bis zu 40 Prozent der betroffenen Männer in der Kindheit selbst Opfer von Missbrauch beziehungsweise Misshandlung geworden.

Nach Kolbes Ansicht sind Gewalt gegen Männer und die begleitenden Risikofaktoren nur wenig erforscht. Eine spezielle Fortbildung von medizinischem Personal, die Weiterentwicklung der Präventionsarbeit sowie ein spezielles Angebot für betroffene Männer seien wünschenswert.