Gelingt der Durchbruch im Fall Maddie?
Was geschah mit der kleinen Madeleine McCann vor rund 13 Jahren? Zu dem Deutschen, der unter Mordverdacht steht, werden zwar immer mehr Details bekannt. Der entscheidende Beweis scheint aber zu fehlen. Dafür spielt plötzlich ein anderer Fall eine Rolle.
Das Wichtigste in Kürze
- Der aufsehenerregende Zeugenaufruf zur verschwundenen Maddie nährt die Hoffnung, den rund 13 Jahre alten Fall doch noch lösen zu können.
«Für einen Haftbefehl oder eine Anklage reicht es noch nicht aus», sagte jedoch Hans Christian Wolters von der Staatsanwaltschaft Braunschweig am Freitag. Trotz vieler Hinweise fehlt bisher wohl der entscheidende Beweis. Unterdessen suchen Ermittler in Sachsen-Anhalt nach möglichen Verbindungen zum Fall der fünfjährigen Inga, die dort 2015 verschwand.
Das damals dreijährige britische Mädchen Madeleine «Maddie» McCann war am 3. Mai 2007 aus einer Appartementanlage im portugiesischen Ferienort Praia da Luz verschwunden. Die Eltern waren an dem Abend in einem nahe gelegenen Restaurant essen. Das ungeklärte Schicksal des Mädchens hatte weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Die Ermittler waren von einer Entführung ausgegangen. Zeitweise standen auch die Eltern selbst unter Verdacht.
Am Mittwochabend gaben Bundeskriminalamt (BKA) und Staatsanwaltschaft Braunschweig überraschend bekannt, dass ein 43-jähriger Deutscher in dem Fall unter Mordverdacht steht, der mehrfach wegen Sexualstraftaten auch an Kindern vorbestraft ist. Was genau der Auslöser für die Veröffentlichung und einen erneuten Zeugenaufruf war, blieb unklar. Den Ermittlern wird aber bewusst gewesen sein, welches riesige Echo der erneute Bericht über das Schicksal des Mädchens in der ZDF-Sendung «Aktenzeichen XY... ungelöst» hervorrufen würde.
Schnell war klar, dass es sich bei dem Verdächtigen um einen Mann handelt, der derzeit in Kiel eine alte Haftstrafe absitzt, die das Amtsgericht Niebüll bereits 2011 gegen ihn verhängt hatte. Dabei ging es um Handel mit Betäubungsmitteln. Parallel ist wegen Vergewaltigungsvorwürfen gegen ihn Untersuchungshaft angeordnet. Denn zuletzt verurteilte ihn das Landgericht Braunschweig am 16. Dezember 2019 wegen schwerer Vergewaltigung unter Einbeziehung früherer Strafen zu sieben Jahren Haft. Er hatte 2005, rund eineinhalb Jahre vor dem Verschwinden Maddies, in Praia da Luz eine damals 72-jährige Amerikanerin vergewaltigt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Revision liegt beim Bundesgerichtshof.
«Wir gehen davon aus, dass das Mädchen tot ist», hatte Wolters am Donnerstag mit Blick auf Maddie bekräftigt. Er verband diese Aussage aber damit, dass sich die Ermittler dringend weitere Hinweise erhoffen. Bewiesen ist noch nichts, trotzdem sorgte die Nachricht über die neuen Erkenntnisse für viel Aufsehen, vor allem in Grossbritannien und Portugal.
Immer mehr Details werden über den Mordverdächtigen bekannt. Er lebte zwischen 1995 und 2007 regelmässig an der Algarve, darunter einige Jahre in einem Haus zwischen Lagos und Praia da Luz. Immer wieder pendelte er zwischen Deutschland und Portugal, wurde in beiden Ländern mehrmals straffällig. Laut «Spiegel» weist das Strafregister des Mannes insgesamt 17 Einträge auf.
Die Ermittler in Braunschweig sind für den Fall zuständig, weil der Verdächtige seinen letzten deutschen Wohnsitz in der Stadt hatte. Ab Dezember 2012 eröffnete er zusammen mit seiner damaligen Lebensgefährtin einen Kiosk in Braunschweig. Nach der Trennung führte er den Laden allein weiter, bis er nach etwa eineinhalb Jahren den Kiosk und die angrenzende Wohnung aufgrund eines Burnouts aufgab.
«Ich habe ihn als aggressiv erlebt», zitierte die «Bild» am Freitag den Nachmieter. Der nun Mordverdächtige habe bei vielen Leuten Schulden gehabt, sagte der Mann dem Blatt. Schon zuvor hatte eine frühere Nachbarin aus Portugal den Verdächtigen als aggressiv beschrieben. «Er war immer ein bisschen wütend, ist die Strasse schnell hoch und runter gefahren (...)», berichtete die Frau dem britischen Sender Sky News.
Derweil sucht die Staatsanwaltschaft Stendal nach möglichen Verbindungen zwischen dem Fall Maddie und dem der vor fünf Jahren in Sachsen-Anhalt verschwundenen kleinen Inga. Es werde geprüft, ob es Anhaltspunkte für Zusammenhänge gebe und ob sich daraus ein Anfangsverdacht gegen den Tatverdächtigen im Fall Maddie ergebe, teilten die Ermittler in Stendal am Freitag mit. Weitere Details wurden dabei nicht genannt.
Inga aus Schönebeck in Sachsen-Anhalt war fünf Jahre alt als sie am 2. Mai 2015 aus einem Wald bei Stendal scheinbar spurlos verschwand. Dorthin hatte sie mit ihrer Familie einen Ausflug gemacht. Umfangreiche Suchaktionen und Ermittlungen konnten nicht klären, was mit Inga geschah. Die Region liegt rund 100 Kilometer nordöstlich von Braunschweig.
Die «Magdeburger Volksstimme» hatte am Freitag über Verbindungen des Beschuldigten im Fall Maddie nach Sachsen-Anhalt berichtet. Er soll ein Grundstück im Landkreis Börde besessen haben. Dort fanden Beamte den Informationen der Zeitung zufolge im Februar 2016 einen Stick mit Kinderpornografie. Damals hätten Ermittler auch Spuren mit denen im Fall Inga abgeglichen, berichtete die «Volksstimme». Es hätten sich keine brauchbaren Hinweise ergeben.