Parlamentswahl in Bulgarien: Kommt ein Ende der Wahlspirale?

Bulgarien ist Wahl-Europameister: Zum siebten Mal in dreieinhalb Jahren soll ein neues Parlament gewählt werden. Viele Menschen sind wahlmüde und enttäuscht.

Ein Wähler verlässt ein Wahllokal in Sofia. (Archivbild) Foto: Valentina Petrova/AP/dpa - sda - Keystone/AP/Valentina Petrova

Während in der Ukraine und in Nahost Kriege toben, steckt das EU-Land Bulgarien seit Jahren in einer politischen Krise. «Wird es dieses Mal eine Regierung geben?» – so lautet die wohl am häufigsten gestellte Frage vor der vorgezogenen Parlamentswahl in Bulgarien an diesem Sonntag.

Kaum jemand fragt, wer die siebte Parlamentswahl binnen dreieinhalb Jahren gewinnen wird, da die Prognosen der Soziologen eindeutig sind: Das als prowestlich auftretende Mitte-Rechts-Bündnis Gerb-SDS wird demnach von der Neuwahl als stärkste Partei hervorgehen. Doch mit voraussichtlich nur rund einem Viertel der Stimmen müsste der bis 2021 dreimal regierende Boiko Borissow (Gerb) unbedingt Koalitionspartner suchen.

Ein fragmentiertes Parlament mit zerstrittenen Parteien dürfte es ihm nicht gerade einfach machen, sind sich Politologen einig. Nach der jüngsten Neuwahl vom 9. Juni konnte keine Partei eine neue Regierung bilden. Ein Interimskabinett wurde eingesetzt.

«Eine weitere Neuwahl würde Bulgariens Image als unregierbares Land weiter festigen», sagt die Vize-Direktorin des European Council on Foreign Relations (ECFR), Wessela Tschernewa, der deutschen Nachrichtenagentur DPA in Sofia.

Chancen für reguläre Regierung stehen 50:50

Das Balkanland hatte seit 2021 in der Tat nur zwei kurzlebige reguläre Regierungen, dafür aber mehrere Übergangskabinette. Die Chancen für eine reguläre Regierung stehen jetzt 50:50, meint der Analytiker Iwo Indschow im Endspurt des Wahlkampfes.

Weniger als ein Jahr überlebte die im Juni 2023 mühsam auf die Beine gestellte gemeinsame Regierung der beiden rivalisierenden prowestlichen Bündnisse Gerb-SDS und PP-DB, die sie nicht als «Koalition» bezeichnen wollten. Diese Regierung scheiterte am Streit über Reformen und Korruptionsbekämpfung. Über Bulgariens euro-atlantische Orientierung als EU- und Nato-Mitglied sowie die Unterstützung der Ukraine hatten beide Bündnisse keine Differenzen – auch jetzt nicht.

Ob eine ähnliche Regierung nach der bevorstehenden Neuwahl zustande kommen kann, war zum Abschluss des Wahlkampfes noch offen. Das sich als reformwillig präsentierende prowestliche Bündnis PP-DB könnte Meinungsforschenden zufolge mit rund 14 Prozent der Stimmen auf Platz zwei abschneiden – knapp vor der nationalistischen, populistischen und prorussischen Partei Wasraschdane (Wiedergeburt).

Das liberal-konservative Bündnis PP-DB besteht darauf, dass der neue Ministerpräsident politische Distanz zu allen Parteien haben soll, und nicht vom erwarteten Wahlsieger Gerb-SDS bestimmt werde. Völlig ausgeschlossen für PP-DB wäre Gerb-Chef Borissow als nächster Regierungschef. Dieses Lager wirft dem 65-Jährigen korrupte Regierungsführung von 2009 bis 2021 vor.

Viele Wähler von Parteien enttäuscht

Nach fast 18 Jahren EU-Mitgliedschaft hat Bulgarien viele Baustellen, wie etwa Korruptionsbekämpfung, Justizreform und aktuell – die Liberalisierung des Strommarktes. Zudem geriet die Nutzung der Gelder aus dem EU-Wiederaufbauplan wegen der politischen Krise ins Stocken, da wichtige Gesetze fehlten. Der frühere Wirtschaftsminister Nikolaj Wassilew hat dennoch Grund zum Optimismus: Mit einer reformorientierten Regierung könnte Bulgarien noch im kommenden Jahr der Eurozone beitreten, meint er.

Der einmonatige Wahlkampf war mau und einfallslos, ohne TV-Debatten zwischen den Parteispitzen. Ins Parlament in Sofia könnten Umfragen zufolge zwischen sieben und neun Parteien einziehen. Die Mehrheitsverhältnisse dürften wieder unklar sein. Kein klares prowestliches Profil haben zwei kleine Parteien, die bei niedriger Wahlbeteiligung die Vier-Prozent-Hürde für das Parlament knapp überwinden könnten.

Soziologen befürchten, dass am Sonntag noch weniger Menschen zu den Wahllokalen gehen werden als bei der Neuwahl im Juni. Damals lag die Beteiligung bei gut 34 Prozent. Viele Wählerinnen und Wähler sind von den Parteien enttäuscht. «Die Politiker versprechen das eine, tun aber etwas anderes», hört man allzu oft. Interimsregierungschef Dimitar Glawtschew rief drei Tage vor der Wahl dennoch zur grösseren Wahlbeteiligung auf. «Es ist höchste Zeit, dass dieses Wahl-Spiel endet», sagte er.