Putins neue Verfassung: Künftig «Oberster Herrscher»?

Kremlchef Wladimir Putin will heute seine umstrittenen Reformpläne einer Arbeitsgruppe in Moskau erörtern. Kritiker warnen vor einem Anschlag auf das russische Grundgesetz.

Die meisten Russen glauben, dass Wladimir Putin die Verfassungsänderung deshalb anstösst, um sich über 2024 hinaus an der Macht zu halten. Foto: Alexander Zemlianichenko/AP POOL/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Bei einem Treffen mit handverlesenen russischen Bürgern erörtert Präsident Wladimir Putin in Moskau heute die grösste Verfassungsänderung der Geschichte des Landes.

Die Gruppe besteht unter anderem aus Sportlern, Künstlern und Kosmonauten. Sie haben eine Menge eigener Vorschläge für die künftige Verfassung gemacht. Diskutiert wurde zuletzt etwa, ob der 67-jährige Putin künftig den Titel «Oberster Herrscher» tragen könnte, um weiter die Geschicke des Landes zu führen. Seine laut aktueller Verfassung letzte mögliche Amtszeit läuft 2024 aus.

Laut Umfragen gehen die meisten Russen davon aus, dass Putin die Verfassungsänderung vor allem deshalb angestossen hat, um sich den Verbleib an der Macht auch über 2024 hinaus zu sichern. Zahlreiche Juristen beklagen, dass in dem Gremium echte Experten kaum vertreten seien. Zudem seien die Veränderungen so massiv und grundsätzlich, dass ein Verfassungsausschuss einberufen werden müsste, heisst es.

Von dem Treffen erwarten sich viele Russen mehr Klarheit darüber, was Putin mit dem im Eiltempo durchgezogenen Projekt vorhat. Die ausserparlamentarische Opposition wirft ihm eine undurchsichtige «Spezialoperation» und einen Anschlag auf das russische Grundgesetz vor.

Dutzende Veränderungen sind vorgesehen. Geplant ist etwa die Verankerung eines Staatsrats in der Verfassung. Putin könnte dann künftig zum Beispiel Staatsratsvorsitzender werden. Die aktuelle Verfassung stammt von 1993. Sie war unter Putins Vorgänger Boris Jelzin angenommen worden.

Putin hatte 2005 gesagt, dass er unter keinen Umständen die Verfassung ändern wolle. Später hatte Dmitri Medwedew im Präsidentenamt die Verfassung ändern und zum Beispiel auch die Amtszeit des Präsidenten auf sechs Jahre ausweiten lassen. Putin hatte dann nach seiner Rückkehr in den Kreml davon profitiert.

Zuletzt hatte der Kremlchef seine Änderungspläne verteidigt. Es gehe nicht um seine eigenen Befugnisse, sagte er. Er habe aber nach den vielen Jahren an der Macht festgestellt, dass manches noch nicht so funktioniere, wie es sollte.

Abstimmen soll am Ende auch das russische Volk über die Annahme der Veränderungen. «Das ist die höchste Form der Demokratie», meinte Putin jüngst. Kritiker werfen ihm vor, als Lockmittel die Festschreibung eines Mindestlohns und die regelmässige Anpassung der Grundrente an die Inflation in der Verfassung zu versprechen.

In der Diskussion ist ein Abstimmungstermin am 22. April. Der Wochentag könnte dann nach Kremlangaben ein arbeitsfreier Tag werden. Das Parlament hatte die Änderungsvorschläge im Januar in erster von drei Lesungen angenommen. Zuletzt geriet der Prozess aber angesichts vieler Änderungsvorschläge einer externen Arbeitsgruppe ins Stocken. Die zweite und entscheidende Lesung - ursprünglich für den 11. Februar angesetzt - wurde deshalb verschoben.