Reisswolf in Österreich: Fünf Datenträger zerstört
Ein nervöser Mitarbeiter des Kanzleramts am Reisswolf in Österreich – das ist der Ausgangspunkt einer Geschichte, die Sebastian Kurz in Bedrängnis bringt.
Das Wichtigste in Kürze
- Ex-Kanzler Sebastian Kurz gerät weiter in der Ibiza-Affäre unter Druck.
- Offenbar soll seine Partei hochsensible Daten im Reisswolf zerstört haben.
Zwei Monate vor der Nationalratswahl in Österreich gerät Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) überraschend in Erklärungsnot: Die Vernichtung von Datenträgern in einem Reisswolf aus dem Kanzleramt unmittelbar vor dem Sturz seiner Regierung war umfangreicher als angenommen.
Nach Informationen des Magazins «Falter»: Ein Mitarbeiter des Kanzleramts hat im Mai fünf statt nur eine Festplatte von einer externen Spezialfirma zerstören lassen. Und nicht durch Experten des Hauses.
Kurz gerät in Österreich unter Druck
Es sei in der 25-jährigen Geschichte des Unternehmens noch nie passiert: Dass jemand unter falschem Namen und mit solchem Aufwand Festplatten habe vernichten lassen. So wurde der Geschäftsführer der Firma vom «Falter» am Dienstag zitiert.
Das Schreddern erfolgte wenige Tage nach Bekanntwerden des «Ibiza-Videos», das am 27. Mai zum Sturz der von Kurz geführten Regierung durch ein Misstrauensvotum im Parlament führte.
Es ist unklar, welche Daten auf den Festplatten waren. Die zeitliche Nähe zum Bekanntwerden des Strache-Videos hat zu Spekulationen geführt: Die Vernichtung der Daten könne etwas mit dem Skandal zu tun haben. In dem Video sieht man Ex-Vizekanzler und Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache mit einer angeblichen russischen Oligarchen-Nichte. Der FPÖ-Chef stellt wirtschaftliche Vorteile im Gegenzug für Spenden an die FPÖ in Aussicht.
Kurz weisst Vorwürfe rund um Reisswolf zurück
Kurz, zurzeit auf einer Tour im kalifornischen Silicon Valley, hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Die Vernichtung sensibler Daten angesichts der bevorstehenden Abwahl sei nicht anstössig, sondern ein normaler Vorgang.
Zum Zeitpunkt dieser Reaktion war allerdings erst vor einer einzigen Festplatte die Rede. Österreichs Kanzlerin Brigitte Bierlein erklärte, «die Löschung bestimmter sensibler, nicht dem Bundesarchivgesetz unterliegender Daten entspricht der üblichen Praxis bei Regierungswechseln.» Nichtsdestotrotz werde der Fall geprüft. Auch die Staatsanwaltschaft hat sich eingeschaltet.
Die politischen Gegner der ÖVP wittern Morgenluft und starten parlamentarische Anfragen. Die Sozialdemokraten und die liberalen Neos wollen unter anderem wissen, wer von der Datenvernichtung der Kanzleramtsdateien wusste.