Russische Geheimdienste nach Anschlag in Kritik
Der Anschlag in Moskau wird als Blamage für die russischen Geheimdienste gesehen. Er lasse Putin «dumm und nachlässig» aussehen, sagen Experten.
Das Wichtigste in Kürze
- Nach dem Anschlag in Moskau mit über 100 Toten wird Kritik laut.
- Das «Sicherheitstheater» sei eine Farce, der Angriff eine Blamage für die Behörden.
- Für Putin, der Sicherheit garantieren will, ist es ein «schwerer Schlag» und «peinlich».
Mehrere schwer bewaffnete Angreifer stürmten eine Konzerthalle bei Moskau und töteten weit über hundert Menschen. Der Islamische Staat reklamiert den Anschlag für sich, Experten halten dies für glaubwürdig. Am Tag danach kommen die Fragen auf, wie ein solcher Angriff möglich war – und es hagelt Kritik. Vor allem auch, weil die USA kürzlich noch vor Anschlägen gewarnt hatten.
SRF-Korrespondent David Nauer spricht in der «Tagesschau» von einer «Blamage für die Geheimdienste». Sie hätten unglaublich viele Ressourcen und Macht. Dennoch seien sie nicht in der Lage, die Leute vor Terror zu schützen. Der Anschlag habe «riesige Lücken» bei den Sicherheitsbehörden offengelegt.
Noch weiter geht Russland-Experte Jeremy Morris von der dänischen Universität in Aarhus: In der unabhängigen «Moscow Times» schreibt er, der Angriff habe die «Farce des russischen Sicherheitstheaters entlarvt». Der «oberflächliche Schein von Stärke» könne die Menschen nicht schützen.
Moskau sei eine der am besten bewachten und überwachten Städte der Welt. Überall stünden Sicherheitsleute, selbst bei einigen U-Bahn-Stationen müsse man durch Metalldetektoren. Doch das Sicherheitspersonal sei nicht gut, schlecht ausgebildet, kaum motiviert, unterbezahlt, unprofessionell, gelangweilt und ohne Initiative.
Dass die Sicherheitsleute am Eingang der Konzerthalle die Terroristen stoppen könnten wie in einem Actionfilm, sei «reine Fantasie», so Morris. Es seien «zufällig anwesende Polizisten» gegen Angreifer mit automatischen Waffen, die bereit seien, zu töten. Der Angriff sei «schockierend einfach» gewesen.
Der US-Sender CNN schreibt, Russland sei in «ein Gemetzel und in Verwirrung» gestürzt worden. Und das so kurz nach der Wiederwahl Wladimir Putins, der sich als Anführer darstelle, der für Ordnung sorge. «Das ist kaum die Stabilität und Sicherheit, für die ihn so viele gewählt haben.» Russland sei heute unsicherer und unbeständiger als je zuvor in der 24-jährigen Amtszeit Putins.
Experte: Anschlag ist «hochnotpeinlich» für Putin
Es sei ein «schwerer Schlag» für den Kremlchef. Vor allem auch, weil die USA noch gewarnt hatten. Putin tat dies aber als Provokation, um Russland zu destabilisieren, ab.
Peter Neumann sagt gegenüber «t-Online», dass man nicht wisse, ob Putin die Warnung tatsächlich nicht ernst genommen habe. Eventuell sei er auch wegen der Ukraine und der Wahl abgelenkt gewesen. Es sei aber «offensichtlich», dass die Sicherheitsbehörden Fehler begangen hätten, so der Terror-Experte vom King's College in London.
Er sagt auch: «Für Putin ist der Anschlag hochnotpeinlich.» Er lasse ihn «dumm und nachlässig» aussehen. Darin vermutet er auch den Grund für die «aggressive Desinformationskampagne» Russlands. Denn der Kreml könne nicht zugeben, dass Putin die eigene Bevölkerung nicht vor Terroranschlägen schützen könne.