Schwere Schäden in Venedig durch schlimmstes Hochwasser seit über 50 Jahren
Das schlimmste Hochwasser seit über 50 Jahren hat in der weltberühmten Lagunenstadt Venedig schwere Schäden angerichtet.
Das Wichtigste in Kürze
- Klimawandel und politisches Versagen werden verantwortlich gemacht.
Bürgermeister Luigi Brugnaro veranschlagte die Schäden am Mittwoch im Sender RAI auf mehrere hundert Millionen Euro. Er sprach von «weitreichender Verwüstung». Der Markusplatz, die Krypta und das Presbyterium des Markusdoms standen unter Wasser. Während der Bürgermeister den Klimawandel als Ursache der Katastrophe benannte, sprachen viele Einwohner Venedigs von politischem Versagen. Das bereits seit 2003 in Bau befindliche Sturmflutsperrwerk Mose, in das schon sechs bis sieben Milliarden Euro investiert wurden, ist noch immer nicht funktionstüchtig.
«Venedig wird in die Knie gezwungen», klagte der Bürgermeister, bevor er den Notstand ausrief. Der Präsident der Region Venetien, Luca Zaia, sagte, 80 Prozent der Stadt stünden unter Wasser, es gebe «unvorstellbare Schäden». In den Wassermassen, die sich durch das Stadtzentrum wälzten, trieben Stühle und Tische. Viele Anlegestellen für die berühmten Touristen-Gondeln wurden weggerissen. Einheimische und Touristen wateten durch überflutete Gassen, Hotelgäste kletterten mit ihrem Gepäck aus Fenstern, um sich mit Wassertaxis zu retten. Die Küstenwache schickte spezielle Boote in die überfluteten Strassen, die als schwimmende Krankentransporte dienen sollten.
Die Feuerwehr rückte zu mehr als 400 Einsätzen aus. Wie italienische Medien berichteten, wurde ein 78-jähriger Mann durch einen Stromschlag getötet, als er eine Pumpe gegen das ansteigende Wasser einsetzen wollte.
Nach Angaben des Lagezentrums stieg das als «Acqua Alta» bekannte Hochwasser am späten Dienstagabend auf einen Pegel von 1,87 Meter. Nur ein einziges Mal seit Beginn der Aufzeichnungen 1923 war das Wasser noch höher: 1966 lag der Pegel bei 1,94 Meter.
Auch in Venedig schwankt der Wasserpegel durch Ebbe und Flut - für die Nacht zum Donnerstag wurde ein erneutes Ansteigen des Pegels erwartet. Der Pegelstand von 1,87 Meter bedeutet nicht, dass sämtliche Stadtteile gleichermassen von Wasser überflutet werden. Die meisten Teile Venedigs liegen selbst auf einer Höhe von einem Meter bis 1,30 Meter.
Umweltminister Sergio Costa sah in dem Hochwassernotstand eine «direkte Konsequenz des Klimawandels». Dazu zählte er auch den Einzug tropischer Wetterphänomene wie Starkregen und starke Windböen. Die deutsche Touristin Gabi Brückner sagte voraus, dass sich der Klimawandel «verschlimmern» werde. Das werde eines Tages dazu führen, dass Venedig untergehe, sagte die 58-Jährige.
Das Milliardenprojekt Mose müsse «schnellstmöglich fertiggestellt werden», forderte Bürgermeister Brugnaro. Das Bauvorhaben zielt darauf ab, die Lagunenstadt bei Hochwasser in der Adria mit 78 schwimmenden Deichen zu schützen. Ursprünglich waren dafür zwei Milliarden Euro veranschlagt. Nach Missmanagement und Funktionsstörungen wird inzwischen nicht mehr mit einer Fertigstellung vor 2020 gerechnet.
«Sie haben sechs Milliarden Euro gestohlen», klagte Dino Perzolla, ein 62-jähriger Einwohner von Venedig. «Die Politiker müssen alle ins Gefängnis.» Ingenieure entdeckten erst kürzlich, dass Teile der Mose-Konstruktion verrostet waren.