Suche nach Atomendlager: Gorleben raus - aber Ärger bleibt
Vor einer Fachkonferenz zur Atomendlager-Suche löst das Interview eines Behördenchefs Wirbel aus. Es geht, einmal mehr, um den Salzstock Gorleben - der aber gar kein Endlager mehr werden kann.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Salzstock Gorleben in Niedersachsen als Symbol für die Anti-Atomkraftbewegung ist zwar raus bei der Suche nach einem Atommüll-Endlager - sorgt aber weiter für Streit.
Grund sind Aussagen des Präsident des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), Wolfram König. Er hatte es in der «Süddeutschen Zeitung» als problematisch bezeichnet, dass Gorleben schon im ersten Schritt der Suche, noch vor einer Beteiligung der Öffentlichkeit, rausgefallen sei. «Meine Sorge ist, dass diese Entscheidung das weitere Verfahren nicht erleichtert, sondern belastet», sagte König.
Die Äusserungen lösten heftige Proteste aus. Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) zeigte sich «erschrocken und erstaunt».
Lies sagte am Donnerstag: ««Dass König das Aus für den Salzstock Gorleben in Niedersachsen bei der Suche nach einen Atommüll-Endlager als "belastend" für das weitere Verfahren nennt, muss ich auf das Schärfste zurückweisen.» Die Festlegung der Teilgebiete, zu denen Gorleben als Salzstock nicht zähle, sei nach wissenschaftlichen Kriterien und in einem transparenten Verfahren getroffen worden. «Daran gibt es nichts zu deuten».
Ende September hatte die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) mitgeteilt, dass grosse Teile Deutschlands für ein Atomendlager nach geologischen Kriterien grundsätzlich geeignet sind - der lange heftig umkämpfte Salzstock Gorleben aber ist nicht darunter. Als Grund wurden geologische Mängel genannt.
In den 1970er Jahren hatte die Politik die Entscheidung getroffen, im Salzstock Gorleben ein Endlager einzurichten. Das hatte jahrzehntelange Proteste zur Folge. Nach langem Ärger war die Endlager-Suche komplett neu gestartet worden. Kritik am Verfahren kam vor allem aus Bayern. Auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte moniert, dass der Salzstock Gorleben aus dem Verfahren herausgenommen wurde.
König sagte der Zeitung, zwar sei für ihn nicht überraschend, dass Gorleben in einem vergleichenden Verfahren keine Chance habe. Er fügte aber hinzu: «Wir erleben jetzt, dass mit dem frühen Ausscheiden Gorlebens versucht wird, Zweifel am Verfahren zu nähren, an seiner Wissenschaftlichkeit.» Nach dem Gesetz sei die Auslese endgültig, «ohne jeden Diskurs», sagte König der Zeitung. «In der jetzt beginnenden förmlichen Beteiligung wird die BGE auf die Fragen zu Gorleben überzeugende Antworten liefern müssen.»
Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums sagte, das gesamte Standortauswahlverfahren verlaufe nach strengen Regeln und Kriterien, wie es in einem breiten parteiübergreifenden Konsens gesetzlich festgelegt worden sei. «Daran sind alle gebunden.»
Deutlicher wurde die Grünen-Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl. Sie hoffe nicht, dass König das Verfahren nicht verstanden habe, für das er die Aufsicht trage. «Die Endlagersuche folgt wissenschaftlichen Kriterien und nicht der Leitlinie "Was belastet und was entlastet das Verfahren".»
Die FDP-Bundesabgeordnete Judith Skudelny gab König derweil Recht. «Auch die FDP verwundert, dass Gorleben als der am besten erkundete Standort für ein Endlager schon in der ersten Prüfphase rausfliegt.» Diese Entscheidung müsse genauer er- und geklärt werden.
An diesem Wochenende findet die erste sogenannte Fachkonferenz zur Standortsuche statt, coronabedingt rein virtuell. Dabei gehe es zunächst nicht um eine hochspezialisierte inhaltliche Diskussion, sagte König. Alle Beteiligten sollten sich erst einmal mit dem Verfahren vertraut machen, das schrittweise mögliche Regionen und Standorte eingrenzen soll. «Am Ende werden wenige Standortregionen übrig bleiben, in denen dann viel detaillierter diskutiert werden kann, in denen Betroffene auch dabei unterstützt werden, eigenen Sachverstand aufzubauen.»
Das Endlager soll unterirdisch in Salz, Ton oder Kristallin, also vor allem Granit, entstehen. 2031 soll der Standort gefunden sein, der Bundestag entscheidet darüber. Ab 2050 sollen Behälter mit strahlendem Abfall unterirdisch eingelagert werden.