Tag Zwei des Bachmann-Wettlesens: Text über das Opfer-Sein überzeugt

Beim Bachmann-Wettlesen bringt sich Anna Felnhofer in eine gute Position. Auch Valeria Gordeev beeindruckt die Jury.

Autorinnen und Autoren am Mittwoch, 28. Juni 2023, im Rahmen der Eröffnung der «47. Tage der deutschsprachigen Literatur» in Klagenfurt. Gelesen wird um den mit 25'000 Euro dotierten Bachmann-Preis, den Deutschlandfunk-Preis (12'500 Euro), den Kelag-Preis (10'000 Euro), den 3sat-Preis (7500 Euro) sowie den mit 7000 Euro dotierten und mit dem Stadtschreiberstipendium verbundenen BKS Bank-Publikumspreis. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Anna Felnhofer kann beim Bachmann-Wettlesen überzeugen.
  • Damit gilt die Österreicherin als eine der Favoriten zum Ingeborg-Bachmann-Preis.

Mit ihrem komplexen Text über die Opferrolle eines Kindes hat Anna Felnhofer die Jury am zweiten Tag des Wettlesens bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur überzeugt. «Das ist ausserordentlich subtil und gut gearbeitet», sagte etwa Juror Thomas Strässle am Freitag im österreichischen Klagenfurt.

Die österreichische Autorin und klinische Psychologin gehört somit zu dem vorläufigen Favoritenkreis für den Ingeborg-Bachmann-Preis und die anderen Auszeichnungen, die am Sonntag vergeben werden. Hoffnungen darf sich auch die aus Tübingen stammende Valeria Gordeev machen, die am Vortag für ihre präzise Beschreibung eines Putz-Neurotikers einhelliges Lob geerntet hatte.

Texte über Mütter

Ansonsten dominierten schonungslose Texte über Mütter den vorletzten Lesetag des Wettbewerbs (3sat überträgt). Der deutsch-polnische Autor Martin Piekar bekam langen Publikumsapplaus für die literarische Hommage an seine trinkende und Selbstgespräche führende Mutter. Als «Requiem der anderen Art» lobte Jurorin Insa Wilke den Text.

Jacinta Nandi präsentierte danach ihre Erzählung über eine Mutter, die mit ihrem gefühlskalten Ehemann und dem Muttersein in Deutschland kämpft. Die aus England stammende und in Berlin lebende Autorin überzeugte unter anderem mit der Szene einer koksenden Mütterrunde und Sätzen wie «die Unterschicht gibt den Kindern verschimmeltes Brot und hofft, dass sie sterben, die Oberschicht gibt den Kindern Biobrot und hofft auch, dass sie sterben». Am Ende der kontrovers geführten Jury-Debatte zu ihrem Text forderte Nandi ein Kinderbetreuungsangebot für die Eltern unter den teilnehmenden Autorinnen und Autoren.

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Die aus München stammende Kulturjournalistin und Autorin Sophie Klieeisen tauchte hingegen nicht in psychologische oder persönliche Tiefen ein. Sie verfremdete in ihrem Text die Eröffnung des Berliner Humboldt Forums, um einen düsteren Blick auf die deutsche Geschichte und Kulturszene zu werfen.