Textilbetrieb setzt auf erotisches Untendrunter
Baumwolle und Feinripp waren gestern: Eine kleine Manufaktur in der Nähe von Chemnitz fertigt Unterwäsche für Männer, denen ein einfacher Slip zu langweilig ist. Mit wachsendem Erfolg.
Das Wichtigste in Kürze
- Während draussen der gut gepflegte Vorgarten perfekt zu dem idyllischen kleinen Ort passt, bekommt das herkömmliche Bild vom Familienbetrieb drinnen einen Riss - wahlweise in Neonpink, im Lederlook oder in Netzoptik.
Vor allem aber immer hauteng. Die Wonneberger Manufaktur aus Mühlau bei Chemnitz hat sich auf erotische Unterwäsche für Männer spezialisiert.
Vom klitzekleinen String-Tanga, der gerade so des Mannes bestes Stück verhüllt - oder in Szene setzt - bis zum Ganzkörperanzug aus glänzendem Lackstoff mit Netzeinsätzen: Die 15 Mitarbeiterinnen im Nähsaal des Textilunternehmens nehmen die neuesten Kreationen von Claudia und Jörn Wonneberger mit Humor und Neugierde. «Klar wird mal der ein oder andere Witz gerissen oder ein Männerteil übergezogen. Aber verschämt zur Seite dreht sich hier niemand», meint der Chef.
Der 38-Jährige und seine Frau haben Textil- und Modedesign an der Westsächsischen Hochschule Zwickau studiert. Unterwäsche, zumal im Fetisch-Bereich, stand nicht auf dem Plan des Paares. Angefangen haben sie in Dresden mit einem Label für schicke Outdoor-Kleidung in grellen Neonfarben, damit Radfahrer, Jogger oder Kinder an trüben Tagen im Strassenverkehr gut sichtbar sind.
Dann kam vor vier Jahren das Angebot, den Textilbetrieb in Mühlau zu übernehmen. Eigentümer Hermann Kutzschbach war auf der Suche nach einem Nachfolger. Unterwäsche hatte Kutzschbach bereits erfolgreich im Programm - und längst nicht nur brave Baumwollschlüpfer, wie Jörn Wonneberger erzählt. «Man hat ihm definitiv nicht angesehen, dass er auch aufknöpfbare Strings herstellt.»
Mit ihrer Marke «Wojoer» - ein Wortspiel aus Wonneberger und Vojeur - hält das Unternehmerpaar nicht mehr so hinter dem Berg. In einem Fenster auf der ersten Etage zeigt eine Schaufensterpuppe im Lackanzug schon von draussen, wohin die Reise geht.
Die grösste Resonanz habe man bei Männern Ü40 und Ü50. Bestellungen kämen aus dem gesamten Bundesgebiet - vom kleinen Dorf bis zur hippen Hauptstadt. Jedes fünfte Fabrikat gehe ins Ausland, vor allem in die USA, Kanada und die Niederlande.
Laut Gesamtmasche, dem Gesamtverband der deutschen Maschenindustrie, ist Deutschland weltweit der fünfgrösste Wäschemarkt. «Allerdings sinkt die Zahlungsbereitschaft», sagt Verbandsgeschäftsführerin Silvia Jungbauer. Während die Umsätze stagnierten, ginge gleichzeitig die Zahl der verkauften Teile nach oben. Bei den Männern waren es im vergangenen Jahr rund 178 Millionen Stück, bei den Frauen 274 Millionen. Zusammen kam die deutsche Wäschebranche 2018 auf rund vier Milliarden Euro Umsatz.
«Sich in der Nische zu etablieren, ist eine Chance, dem Preisverfall entgegenzuwirken und die Produktion in Deutschland zu halten», ist Jungbauer überzeugt. Zugleich gebe der Trend zu mehr Nachhaltigkeit «Made in Germany» einen Schub. So gebe es viele Hersteller, die mithilfe von Rundstrick nahtlose Produkte fertigen, die sich nicht nur bequemer tragen lassen, sondern auch zu deutlich weniger Schnittabfall führen. Diese Technik erfordere weniger manuelle Näharbeiten, für die sich hierzulande ohnehin schwer Arbeitskräfte finden liessen. Deutschlands Wäsche-Hochburg ist der Südwesten, wo Traditionsfirmen wie Triumph, Mey oder Schiesser ihren Sitz haben.
In der ostdeutschen Textilbranche mit derzeit 16 000 Beschäftigten gibt es laut Branchenverband vti aktuell acht Wäsche-Hersteller. «Deutsche Bodywear-Hersteller sind im globalen Preiswettbewerb chancenlos», meint vti-Geschäftsführer Jenz Otto. Als Mittelständler müssten sie sich daher spezielle Marktsegmente wie Funktionskleidung oder ausgefallene Designer-Wäsche erschliessen.
Zu den bekannteren Wäscheherstellern aus Sachsen gehört Bruno Banani. Allerdings stellt das sächsische Unternehmen seine Fertigung von Herrenwäsche und Bademode in Chemnitz zum Jahresende ein. Die Wonnebergers hingegen setzen bewusst auf das kleine Mühlau als Produktionsstandort. Dafür haben sie Dresden hinter sich gelassen und leben mit ihren beiden Töchtern nun auch im ländlichen Raum.