«Trittbrettfahrerinnen gesucht»: Müllabfuhr umwirbt Frauen
Immer noch arbeiten bei der Müllabfuhr überwiegend Männer. Hannover will nun mit einer Kampagne erreichen, dass auch Frauen in der Stadt Müllwagen fahren. Gesucht sind «Heldinnen in Orange», die nicht «aus Zuckerwatte» sind.
Das Wichtigste in Kürze
- Es ist eine der letzten Männerdomänen: Auf dem Trittbrett der Müllwagen in der Region Hannover steht bisher keine einzige Frau.
Das soll sich ändern.
Mit einer Werbe-Kampagne unter dem Motto «Trittbrettfahrerinnen gesucht» will der kommunale Entsorger aha Bewerberinnen finden, die teamfähig und nicht «aus Zuckerwatte» sind. Zu einem Job-Speeddating kamen rund 40 Kandidatinnen. An Stationen konnten sie ausprobieren, wie es sich anfühlt, zehn Kilo schwere Papiersäcke in den Wagen zu werfen oder 240-Liter-Tonnen durch einen Parcours zu manövrieren.
Was reizt Frauen an der anstrengenden Arbeit?
Petra Vitrani strahlt und streckt den Daumen noch oben, als sie zum Abschluss eine Runde hinten auf dem Müllwagen über das Betriebsgelände fahren darf. Die 57-Jährige hat früher Elektronikteile montiert. «Ich arbeite gerne an der frischen Luft», begründet sie ihre Bewerbung. Frische Luft bringt man nicht unbedingt mit Abfall in Verbindung. «Wenn überhaupt, riechen nur die Biotonnen im Sommer, wenn es heiss ist», beteuert der Chef der Abfall- und Wertstoffabfuhr, Maik Renneberg.
Valerie Blume hat keine Angst vor Gerüchen und körperlicher Arbeit. Sie lacht und sagt: «Ich bin in der Altenpflege.» Die 31-Jährige nutzt die Gelegenheit, um mit möglichen künftigen Vorgesetzten und Kollegen ins Gespräch zu kommen. «Ich habe nach der Feinstaubbelastung gefragt», erzählt sie danach. Für die ausgebildete Malerin und Lackiererin ist Müllwerkerin ein Traumberuf: «Ich gehöre einfach nach draussen», meint sie.
Zunächst sollen drei Stellen mit Frauen besetzt werden. Renneberg hofft, dass sich damit der Umgangston auf den Touren und das Arbeitsklima unter den etwa 750 Müllwerkern verbessern. «Es gibt sogar Auswertungen dazu, dass auch die Unfallquote langfristig sinkt», sagt er. Frauen seien oft vorsichtiger und gingen weniger Risiken ein.
Müllwerker müssen fit sein und früh aufstehen:
6.30 Uhr morgens müssen sie in der Betriebsstätte sein, wo die Touren geplant werden. Zehn bis zwölf Kilometer legen sie an einem Vormittag zu Fuss zurück, 80 bis 100 Kilometer fährt der Müllwagen auf einer Tagestour und sammelt dabei rund 16.000 Kilogramm Abfälle.
Das Einstiegsgehalt für Müllwerker bei dem Entsorger von Hannover und Umgebung liegt zurzeit bei 2488 Euro brutto im Monat, hinzu kommen Sonderzahlungen und ein finanzieller Ausgleich für Überstunden - eine gute Bezahlung für einen Job, der keinen bestimmten Schulabschluss und keine Ausbildung erfordert. Bei Bedarf können die Frauen nach der Einstellung auch den Lkw-Führerschein machen.
Sicherer Job und verlässliche Arbeitszeiten
Die Kandidatinnen beim Speeddating sind zwischen 18 und 60 Jahre alt - darunter Paketzustellerinnen und Verkäuferinnen. Viele reizen der sichere Job und die verlässlichen Arbeitszeiten - einige möchten auch als Pionierin eine Männerdomäne erobern. Die Abiturientin Luise-Marie Trantow will nur in den Job hereinschnuppern, sie hat sich bei der Polizei beworben.
Andernorts haben Kampagnen zur Werbung von Frauen für die Müllabfuhr bereits gefruchtet. In Berlin gibt es unter den etwa 1300 Müllwerkern und Kraftfahrern inzwischen 15 Kolleginnen (1,2 Prozent). Bei der Stadtreinigung Hamburg sind 10 der 753 Müllabfuhr-Mitarbeiter weiblich (1,3 Prozent). Bei den Strassenreinigern in Hamburg liegt der Frauenanteil bereits bei 6,9 Prozent. Auch bei aha in Hannover sind Kolleginnen in der Kfz-Werkstatt, am Steuer von Container-Lastwagen sowie auf den Wertstoffhöfen tätig.
Nach der Statistik des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) steigt der Frauenanteil in typischen Männerberufen kontinuierlich. So liegt der Frauenanteil bei den Auszubildenden zum Tischler inzwischen bei 13 Prozent. Ähnlich männerlastig wie bei den Müllwerkern sieht es allerdings im Ausbildungsbereich noch bei den Maurern (1,1 Prozent) oder Strassenbauern (0,8 Prozent) aus.