UN: Afrika ist weiter Abladeplatz für Europas Gebrauchtwagen
Afrikas Umwelt wird laut dem UN-Umweltprogramm (Unep) durch eine Flut ausgemusterter Gebrauchtwagen aus den Industrieländern belastet.
Das Wichtigste in Kürze
- Afrika wird zum Schrottplatz der Industrieländer.
- Millionen gebrauchter Autos und Vans werden jährlich in Entwicklungsländer exportiert.
- Dort tragen sie erheblich zur Luft- und Umweltverschmutzung bei, sagt ein Unep-Bericht.
«Millionen gebrauchter Personenwagen, Vans und Minibusse, die von Europa, Japan und den USA in die Entwicklungsländer exportiert werden, tragen erheblich zur Luftverschmutzung bei und behindern Anstrengungen, die Effekte des Klimawandels abzumildern», heisst es in einem am Montag veröffentlichten Unep-Bericht.
Klimaziele gefährdet
Zwischen 2015 und 2018 seien weltweit 14 Millionen Gebrauchtwagen exportiert worden, von denen rund 80 Prozent in arme Länder gingen. «Mehr als die Hälfte davon ging nach Afrika», schreiben die Autoren der Studie. Ein kleinerer Teil gelange aber auch nach Osteuropa, den Nahen Osten sowie Asien und Lateinamerika. Viele der Gebrauchtwagen seien nicht verkehrstauglich und führten zu einer Zunahme tödlicher Unfälle - etwa in Ländern wie Malawi, Nigeria, Simbabwe oder Burundi.
Die UN rufen zum sofortigen Stopp der Praxis auf, um die gesetzten Klimaziele nicht zu gefährden. «Industrieländer müssen den Export von Fahrzeugen stoppen, die Umwelt- oder Sicherheitsüberprüfungen nicht standhalten und nicht mehr als verkehrstauglich in den Herkunftsländern gelten, während Importländer strengere Qualitätsstandards einführen sollten», fordert Unep-Direktorin Inger Andersen in dem Bericht, für den 146 Länder untersucht wurden. Die Analyse ergab, dass zwei Drittel davon für den Gebrauchtwagenimport nur schwache oder sehr schwache Beschränkungen aufgestellt haben.
Europa schiebt seine Dreckschleudern ab
Die Vereinten Nationen haben daher eine Initiative gestartet, um Mindeststandards für den Import von Gebrauchtautos aufzustellen. Mehrere afrikanische Länder - darunter Marokko, Algerien, Ghana, die Elfenbeinküste und Mauritius - haben sie bereits umgesetzt. Während Europa auf umweltfreundliche E-Autos setzt, droht Afrika zu einem Abschiebeort für mit fossilen Brennstoffen betriebene Fahrzeuge zu verkommen.
An der deutschen Nordseeküste etwa wurde erst vor einem Monat ein Terminal zur Verschiffung europäischer Gebrauchtautos nach Afrika in Betrieb genommen. Von Wilhelmshaven sollen knapp 60 000 Autos jährlich nach Nordafrika verschifft werden.
Doch vor allem die Niederlande gelten in Europa als wichtiger Umschlagplatz. Eine von der dortigen Regierung durchgeführte Exportstudie ergab, dass die meisten Gebrauchtwagen beim Export nicht mehr für den Strassenverkehr zugelassen waren. Oft waren es unverkäufliche und ausgemusterte Rostlauben, die nach Nigeria und in andere westafrikanische Länder gingen. Sie waren im Schnitt 16 bis 20 Jahre alt und genügten den Euro 4-Abgasnormen nicht mehr. Umweltministerin Stientje Van Veldhoven forderte ein koordiniertes europäisches Vorgehen und einen Schulterschluss mit den afrikanischen Ländern.
Die gehen bereits voran. Der westafrikanische Staatenbund Ecowas hat gerade neue Standards für Kraftstoffe und Gebrauchtwagen erlassen. Afrikas geplantes Freihandelsabkommen, das dem weltgrössten Binnenmarkt mit 1,2 Milliarden Menschen den Weg ebnen soll, wird ebenfalls als Chance gesehen, Europas Exporte ausgemusterter Autos zu begrenzen. Denn die vor allem in Südafrika angesiedelte Autoindustrie sieht sie als Störfaktor beim Absatz von umweltfreundlicheren Neuwagen.
Absatzmarkt mit grossem Potenzial
«Wenn die Voraussetzungen stimmen, liegt Afrikas Potenzial für Neuwagen bei bis zu fünf Millionen Neuwagen pro Jahr, sagt Thomas Schäfer, der vor kurzem zu Skoda gewechselte frühere Geschäftsführer von Volkswagen South Africa. In seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Afrikanischen Automobilhersteller-Verbandes (AAAM) war er eine treibende Kraft bei der Erschliessung des afrikanischen Marktes. Der Volkswagenkonzern, der in Südafrika im laufenden Jahr rund 160 000 Fahrzeuge produzieren will, hat in Ruanda gerade ein Pilotprojekt gestartet, das bei der E-Mobilität in Afrika Akzente setzen soll.
Schäfer sieht Ghana als mustergültig an bei der Schaffung geeigneter Strukturen. «Ghana war der erste Staat in der Region, der zu Kraftstoffen mit geringerem Schwefelanteil gewechselt ist und dieser Monate eine Altersbegrenzung von zehn Jahren für Importe von Gebrauchtwagen erlassen hat», sagte Ghanas Umweltminister Kwabena Frimpong-Boateng.