Verhärtete Fronten beim Streit um Rechtsstaatlichkeit in EU-Staaten

Im EU-Streit um finanzielle Sanktionen bei Verstössen gegen die Rechtsstaatlichkeit sind die Fronten verhärtet.

Flaggen der EU-Mitgliedstaaten - AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • Polen und Ungarn drohen mit Veto bei EU-Haushalt und Corona-Fonds.

Polen drohte am Dienstag offen mit einem Veto beim europäischen Haushalt und dem eng damit verbundenen Corona-Hilfsfonds. Die Niederlande, Spanien und weitere EU-Länder unterstrichen bei einem Ministertreffen in Luxemburg hingegen ihre Forderungen nach harten Regeln, um Verstösse gegen die Rechtsstaatlichkeit zu ahnden. Dies fordert auch das EU-Parlament.

Die EU-Staaten und das Parlament verhandeln derzeit über die Möglichkeit, Kürzungen oder Streichungen von EU-Geldern für Mitgliedstaaten bei rechtsstaatlichen Verfehlungen durchzusetzen. Der stellvertretende polnische Regierungschef Jaroslaw Kaczynski prangerte dieses Vorhaben als «Drohungen und Erpressungen» gegen sein Land an.

«Wir werden es nicht zulassen, dass wir uns mit Geld terrorisieren lassen», sagte Kaczynski der «Gazeta Polska Codziennie». «Wir werden gegen jeden vorgehen, der uns erpresst» - auch mit einem Veto gegen das Corona-Finanzpaket.

Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten sich im Juli nach tagelangen Verhandlungen auf ein Paket aus Haushalt und Corona-Fonds im Umfang von 1,8 Billionen Euro verständigt. Um eine Einigung nicht zu gefährden, verständigten sie sich beim Thema Rechtsstaatlichkeit auf einen vagen Formelkompromiss, der von den EU-Ländern unterschiedlich interpretiert wird.

«Der sogenannte Rechtsstaatsmechanismus bleibt ein ungelöstes Problem», sagte der polnische Vertreter Konrad Szymanski beim Treffen der Europaminister in Luxemburg. Der auf dem Tisch liegende Kompromissvorschlag sei «inakzeptabel». Die Mitgliedstaaten hatten ihre Position für die Verhandlungen mit dem Parlament mit qualifizierter Mehrheit beschlossen. Polen und Ungarn wurden dabei überstimmt.

Um den Corona-Hilfsfonds auf den Weg zu bringen, braucht es am Ende aber Einstimmigkeit. Zudem müssen die nationalen Parlamente den Finanzierungsbeschluss ratifizieren. Das polnische Parlament werde sich hier querstellen, prophezeite Szymanski.

Gegen den derzeitig verhandelten Kompromissvorschlag waren bei dessen Annahme durch die Mitgliedstaaten auch eine Reihe weiterer Länder - allerdings weil ihnen der Mechanismus nicht stark genug war.

Der niederländische Aussenminister Stef Blok, stellvertretend auch für Belgien und Luxemburg, sowie der Schwede Hans Dahlgren für Schweden, Dänemark und Finnland unterstrichen in Luxemburg in diesem Sinne ihre Forderung nach einem «effizienten und wirkungsvollen» Rechtsstaatsmechanismus.

Die ungarische Justizministerin Judit Varga warf ihren Kollegen daraufhin vor, von Anfang an gegen die Corona-Hilfen gewesen zu sein und nun die Rechtsstaatlichkeit als «Vorwand» zu nutzen, «um die Einigung zu demontieren». Ungarn, das wie Polen seit Jahren wegen Rechtsstaatsverstössen in der EU am Pranger steht, hat wiederholt mit einer Blockade des Finanzierungsbeschlusses für die 750 Milliarden Euro an Corona-Hilfen gedroht.

Offenkundig spalte diese Debatte derzeit die EU, beklagte der deutsche Europa-Staatsminister Michael Roth (SPD). Als Vertreter des deutschen EU-Ratsvorsitzes ist er massgeblich an den Verhandlungen mit dem EU-Parlament beteiligt. Vor diesem Hintergrund warb Roth bei seinen EU-Kollegen um «Vertrauen und Unterstützung» - «ansonsten droht eine schwere Krise».