Berichte: Johnson will nach Parteitag Brexit-Pläne vorlegen

Grosszügige Investitionen wollte die britische Regierung auf dem Parteitag der Konservativen präsentieren. Doch stattdessen dominierten Vorwürfe gegen den Premier und Drohungen die Gespräche. In Sachen Brexit soll es aber nach dem Parteitag vorangehen.

Tassen mit dem Gesicht von Premierminister Boris Johnson auf dem Parteitag. Foto: Frank Augsteink/AP - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Die britische Regierung will Berichten zufolge noch in dieser Woche konkrete Vorschläge für die von ihr geforderten Änderungen am Brexit-Abkommen mit der EU vorlegen.

Ein Regierungssprecher in London wollte das am Montag zunächst nicht bestätigen, sagte jedoch, es werde mit weiteren Gesprächen in dieser Woche gerechnet. Die britischen Konservativen halten derzeit ihren Parteitag in Manchester ab. Abschluss und Höhepunkt ist eine Rede von Premierminister Boris Johnson am Mittwoch.

Der Regierungschef fordert, dass die als Backstop bezeichnete Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland aus dem Brexit-Abkommen gestrichen werden muss. Grossbritannien könnte sonst keine eigene Handelspolitik machen.

Johnson droht damit, sein Land andernfalls am 31. Oktober ohne Abkommen aus der Europäische Union zu führen. Brüssel pocht auf eine gleichwertige Alternative, um Grenzkontrollen unnötig zu machen, doch die konnte London bisher nicht vorlegen. Sollte wieder kontrolliert werden an der inneririschen Grenze, wird ein Wiederaufflammen des Nordirlandkonflikts befürchtet.

Der Tory-Parteitag in Manchester wurde teilweise von Vorwürfen gegen Johnson und Morddrohungen gegen Aktivisten und Politiker überschattet. Mehrere Abgeordnete hatten kürzlich Johnson gebeten, seine «Kriegsrhetorik» zu unterlassen, um nicht noch mehr Aggressionen zu schüren.

Der Premier zeigte sich von der Kritik an seiner Wortwahl jedoch unbeeindruckt. Würde man Wörter wie «Kapitulation» aus dem politischen Diskurs verbannen, drohe die Sprache zu verarmen, so Johnson.

Häufiges Opfer von Drohungen ist nach eigenen Angaben die Geschäftsfrau Gina Miller, die zweimal gegen die Regierung vor Gericht gezogen war, um die Rechte des Parlaments im Gezerre um den Brexit zu sichern.

Als kürzlich das Oberste Gericht Grossbritanniens die von Johnson verhängte Zwangspause des Parlaments aufgehoben hatte, wurde Miller - die zu den Klägern zählte - am selben Tag in Gegenwart ihrer zwölfjährigen Tochter auf der Strasse beschimpft. «Leute haben ihre Autos angehalten, die Scheiben heruntergelassen, mich «Verräter» genannt und mir zugerufen: «Da drüben ist ein Laternenpfahl», sagte Miller der «Times» (Montag). Sie bekomme auch Briefe, in denen ihre Kinder als «Mischlinge» beschimpft würden. Die in Südamerika geborene Miller hat ausser ihrer zwölfjährigen Tochter noch einen 14 Jahre alten Sohn und eine erwachsene Tochter aus erster Ehe.

Miller hatte bereits 2017 mit einer Klage beim Obersten Gericht erreicht, dass das Parlament beim Brexit stärker einbezogen wird. Schon damals hatte sie Drohungen in sozialen Medien erhalten.

EU-freundliche Abgeordnete berichteten über ähnliche Vorfälle, darunter Dominic Grieve. Der konservative Politiker, der kürzlich von Johnson aus der Fraktion geworfen wurde, hatte eine Todesdrohung per E-Mail während seiner Bahnfahrt zum Parteitag bekommen, wie der Ex-Generalstaatsanwalt dem Sender ITV berichtete.

Auch ein angeblicher sexueller Übergriff Johnsons auf eine Journalistin machte zu Beginn der Woche Schlagzeilen. Johnson habe ihr vor etwa 20 Jahren bei einem gemeinsamen Mittagessen die Hand auf den Oberschenkel gelegt, schrieb die «Sunday-Times»-Kolumnistin Charlotte Edwardes. Der Regierungschef bestreitet das. «Wenn sich der Premierminister nicht an den Vorfall erinnern kann, dann habe ich eindeutig ein besseres Gedächtnis als er», konterte Edwardes auf Twitter.

Auch den Vorwurf des Amtsmissbrauchs aus seiner Zeit als Londoner Bürgermeister konnte Johnson bislang nicht abschütteln. Er habe nichts zu erklären gehabt, sagte er auf die Frage des BBC-Moderators Andrew Marr am Sonntag, ob er seine Freundschaft zu der US-Geschäftsfrau Jennifer Arcuri angegeben hatte, als diese Fördergelder von der Stadt London erhielt. Die Stadtverwaltung hatte den Fall zur Prüfung an die Polizeiaufsicht weitergeleitet. Sie soll nun entscheiden, ob ermittelt wird.

Unterdessen kündigte Finanzminister Sajid Javid am Montag ein grosses Investitionspaket an. Milliarden Pfund sollen nach dem Willen der Regierung in Strassen, Busse, Bahnen und Breitbandinternet fliessen. Schon am Sonntag hatte die Regierung eine Finanzspritze von 13 Milliarden Pfund (rund 14,6 Milliarden Euro) für den Bau oder die Sanierung von 40 Kliniken bekanntgegeben.

Beobachter werteten die Investitionen als «Köder» für potenzielle Wähler. Eine Neuwahl scheint sehr wahrscheinlich, da Johnson keine Mehrheit im Parlament mehr hat.