Wie gefährlich sind Putins Nuklearmanöver an der Grenze zur Ukraine?
Moskau will die Einsatzbereitschaft taktischer Nuklearwaffen üben – an der Grenze zur Ukraine. Die Gefahr einer Eskalation sei derzeit aber relativ gering.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Kreml will die Bereitschaft taktischer Atomwaffen üben – an der Grenze zur Ukraine.
- Atomwaffenexperten sind überrascht, dass die Manöver derart öffentlich angekündigt werden.
- Dennoch halte sich die Gefahr einer nuklearen Eskalation derzeit einigermassen in Grenzen.
Der russische Präsident Wladimir Putin will mit Militärmanövern die Einsatzbereitschaft seiner taktischen Nuklearwaffen proben. Durchgeführt werden die Übungen in unmittelbarer Nähe zur ukrainischen Grenze, wie das Verteidigungsministerium in Moskau mitteilt: «Wir werden eine Reihe von Aktivitäten durchführen, um die Vorbereitung und den Einsatz nicht strategischer Atomwaffen zu üben.»
Viele westliche Politiker äusserten ihre Besorgnis über die Manöverankündigung: Der Sprecher des US-amerikanischen Sicherheitsrats sprach von einem «rücksichtslosen und unverantwortlichen» Ansinnen. Russland würde unverdrossen mit seinem nuklearen Waffenarsenal eine Drohkulisse auffahren – atomares Säbelrasseln.
Atomwaffenexperten sind überrascht
Auch internationale Experten sind überrascht, wie SRF berichtet: Die Ankündigung über das sprichwörtliche Megafon stelle eine Neuheit dar, erklärt Pavel Podvig vom UN-Institut für Abrüstungsforschung. Zwar würden westliche Truppenverbände gelegentlich vergleichbare Übungsmanöver durchführen – aber in Verschwiegenheit.
Viele strategische Atomwaffen – grosse Nuklearsprengkörper mit mehreren Tausend Kilometer Reichweite und immenser Zerstörungskraft – befinden sich in ständiger Alarmbereitschaft.
Anders die als «Gefechtsfeldwaffen» bezeichneten kleineren taktischen Atomwaffen: Sie können in relativer Nähe zu verbündeten Truppenverbänden eingesetzt werden – ähnlich wie konventionelle Waffen. Hier werden die Atomsprengköpfe oft fernab der Trägersysteme aufbewahrt. Deshalb müssten die nötigen Abläufe zum Einsatz dieser Waffen gelegentlich erprobt werden, erklärt Podvig.
Tatsächlich seien die Gefechtsfeldwaffen aufgrund der Gegebenheiten im Ukraine-Krieg aber von limitiertem militärischem Nutzen: «Mit diesen relativ kleinen Atombomben können grosse feindliche Panzer- oder Truppenkonzentrationen ausgeschaltet werden. Doch solche Konzentrationen gibt es an der ukrainischen Front nirgends.»
Einsatz taktischer Atomwaffen als politisches Signal
Ein allfälliger Einsatz von taktischen Atomwaffen wäre deshalb in erster Linie als politisches Signal zu verstehen. Bis heute gilt der Einsatz von nuklearen Waffen aller Art nämlich als internationales Tabu: Entsprechend dürfe Wladimir Putin nicht in einer Weise bedroht werden, dass er einen Atomschlag als einzigen Ausweg wahrnehme.
Dafür müsse der Westen immer wieder betonen, dass er weder Russland zerschlagen noch einen Regimewechsel in Moskau herbeiführen wolle. Ferner sei auch der globale Süden gefragt: Allen voran müssten auch China und Indien dem Kreml verdeutlichen, dass ein Atomschlag für sie jenseits des Tolerierbaren liege.
Der Ball soll flach gehalten werden
In diesem Sinne hielten sich auch die USA derzeit zurück, wie SRF weiter ausführt: «Wir beobachten in Washington genau, was Russland im Nuklearbereich tut. Und sehen momentan nichts, das uns zu einer Strategieänderung zwingen würde», erklärt John Kirby stellvertretend für US-Präsident Joe Biden.
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Podvig ist überzeugt, dass die Gefahr einer nuklearen Eskalation sich derzeit in Grenzen halte – trotz atomaren Säbelrasselns. Aber: «Diese Atomwaffen sind vorhanden. Solange das so ist, könnten sie irgendwann benutzt werden.»