WWF: Deutschland muss emissionsarme Infrastruktur in Schwellenländern unterstützen

Deutschland muss aus Sicht der Umweltschutzorganisation WWF Schwellen- und Entwicklungsländer jährlich mit Milliardenbeträgen beim Aufbau klimaneutraler Infrastruktur unterstützen.

Kohlekraftwerke stossen besonders viel CO2 aus - AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • Umweltschützer verweisen auf bald ausgeschöpftes CO2-Emissionsbudget.

Das deutsche CO2-Emissionsbudget gemäss dem 1,5-Grad-Ziel werde bereits in wenigen Jahren ausgeschöpft sein, sagte der Klimaexperte Felix Matthes vom Öko-Institut bei der Vorstellung einer neuen Studie im Auftrag des WWF am Dienstag in Berlin. Deshalb müsse Deutschland Finanztransfers an Länder leisten, in denen die CO2-Emissionen noch niedrig seien.

Deutschland sei "historisch wie aktuell ein Schwergewicht unter den Verursachern der Klimakrise" und beanspruche weit mehr als seinen "fairen Anteil" am globalen CO2-Restbudget", sagte WWF-Klimaexpertin Viviane Raddatz. Dieser Entwicklung könne nur entgegengewirkt werden, "indem Deutschland zusätzlich viel mehr Geld für noch schnelleren Klimaschutz in anderen Ländern bereitstellt".

Matthes verwies auf den sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC, nach dem von 2020 ausgehend weltweit noch 400 Milliarden bis 1150 Milliarden Tonnen CO2 emittiert werden können, bevor der globale Temperaturanstieg auf über 1,5 Grad beziehungsweise zwei Grad steigt. Laut Matthes verblieben Deutschland Anfang dieses Jahres noch Emissionen von 2,6 Milliarden Tonnen, um auf dem 1,5-Grad-Pfad zu bleiben und sechs Milliarden Tonnen CO2, wenn eine Zielmarke von 1,7 Grad zugrunde gelegt wird. Dieser Wert werde bis 2030 allerdings deutlich um 4,9 Milliarden beziehungsweise 1,6 Milliarden Tonnen überschritten werden.

Einen Ausweg aus dem Dilemma böte die Finanzierung für Länder, «die den Einstieg in CO2-intensive Infrastrukturen noch vermeiden und gegebenenfalls ihre Emissionsbudgets nicht ausschöpfen könnten», sagte Matthes. Zwar seien die Möglichkeiten eines grenzüberschreitenden Ausgleichs CO2-intensiver Emissionen begrenzt, doch gebe es «eine ganze Reihe an sehr bevölkerungsreichen Ländern», in denen die CO2-Budgets nicht ausgeschöpft werden könnten. Als Beispiele nannte er Indien, Indonesien und einige lateinamerikanische Länder.

Mit Blick auf das 1,5-Grad-Ziel würden sich laut Matthes «Transfer-Notwendigkeiten» für Deutschland von acht bis 25 Milliarden Euro pro Jahr ergeben, um Schwellen- und Entwicklungsländer beim Aufbau emissionsarmer Infrastrukturen zu unterstützen. Bei einer Orientierung an der 1,7-Grad-Schwelle wären es demnach drei bis fünf Milliarden Euro jährlich. «Das sind signifikante Finanztransfers, die sind aber nicht Science Fiction», betonte Matthes. In ihrer Grössenordnung seien diese Summen vergleichbar mit anderen Klimaschutzmassnahmen.

Ein Ersatz für die eigene Emissionsminderung dürften die Finanztransfers aber nicht sein, betonte Matthes. Finanztransfers seien «immer nur dann vertretbar aus der Perspektive der CO2-Emissionsbudgets, wenn man einheimisch das maximal Mögliche tut».

Im Pariser Klimaschutzabkommen hatten sich die Vertragsstaaten zu einer Begrenzung der Erderwärmung in diesem Jahrhundert auf «deutlich unter zwei Grad», idealerweise 1,5 Grad, im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter verpflichtet. Umweltschutzgruppen befürchten, dass die Klimaschutzpläne der Ampel-Parteien nicht ausreichen, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.