Als Vögel im Winter auf dem Mond flogen

Von Aristoteles' Theorien bis hin zur modernen Technologie, die Geschichte der Erforschung des Vogelzugs ist faszinierend.

Mit neusten Technologien können Flugrouten von Zugvögeln genau nachverfolgt werden. - KEYSTONE/DPA/Klaus-Dietmar Gabbert

Mit neusten Technologien können Flugrouten von Zugvögeln genau nachverfolgt werden. Die Erkenntnis, dass einige Vögel im Winter in den Süden fliegen, ist aber erstaunlich neu. Lange herrschte grosse Verwirrung über das plötzliche Verschwinden von Vögeln im Winter.

Schon die alten Griechen bemerkten, dass die Vogelarten um sie herum mit den Jahreszeiten wechselten. Aristoteles schloss daraus, dass sich Gartenrotschwänze bei Wintereinbruch in Rotkehlchen verwandeln. Von Störchen und Schwalben glaubte Aristoteles, dass sie den ganzen Winter in Verstecken schlafen und erst im Frühling wieder aufwachen.

Ähnlich abenteuerlich blieben die Theorien bis weit nach dem Mittelalter. Der Schwedische Bischof Olaus Magnus vermutete im 16. Jahrhundert, Vögel würden im Winter an den Boden von Seen sinken. Dies Theorie hielt sich bis in die 1800er-Jahre.

Einige Gelehrte lehnten jedoch die weithin akzeptierte Winterschlaftheorie ab. So zum Beispiel der englische Wissenschaftler Charles Morton.

Auf dem Weg zum Mond?

Für ihn war klar: Vögel fliegen im Winter auf den Mond. In einem im Jahr 1703 erschienen Essay argumentierte Morton, dass niemand jemals einen Zugvogel während den Wintermonaten gesehen hätte und dass es daher wahrscheinlich sei, dass sich die Vögel in dieser Zeit gänzlich von der Erde entfernten. Ausserdem würden die heimkehrenden Vögel bei ihrer Rückkehr im Frühjahr plötzlich über den Schiffen auftauchen, als ob sie vom Himmel fielen.

Dass noch nie jemand einen Zugvogel im Winter gesehen habe, stimmt aber so nicht ganz. Bereits im 15. Jahrhundert berichteten Reisende von der Anwesenheit von Störchen in Afrika, während sie in Europa nicht mehr zu sehen waren.

Nach und nach wichen die frühen phantasievollen Erklärungen der Einsicht, dass Vögel in den Süden fliegen.

Eine der ersten physischen Beweise für den Vogelzug ist der «Pfeilstorch» von 1822. In Mecklenburg-Vorpommern, an der Ostsee, wurde damals ein Weissstorch entdeckt, der von einem afrikanischen Speer durchbohrt war.

Die Revolution: Beringung

Ein entscheidender Durchbruch in der Forschung zum Vogelzug brachte die Beringung. Im Jahr 1899 begann der dänische Vogelkundler Hans Christian Cornelius Mortensen systematisch, Vögel mit Aluminiumringen gekennzeichnet. Dies hat die Erforschung des Vogelzugs revolutioniert.

Damit war es möglich herauszufinden wohin genau ziehen die Vögeln . Von meisten Arten sind heute die Herkunfts- und Zielgebiete sowie die Zugrouten bekannt.

Zugvögel - AFP/Archiv

In der Schweiz werden Vögel seit genau 100 Jahren beringt. Im Jahr 1924 wurde die Vogelwarte Sempach im Haus eines begeisterten Ornithologen als Beringungszentrale gegründet. Auch heute beringt die Schweizer Vogelwarte noch jährlich über 100'000 Vögel in der Schweiz.

Grosse Fortschritte macht die Vogelzugforschung aber dank neuer technischer Instrumente. Grossen Vögeln wie Störchen und Adlern schnallt man GPS-Sender auf den Rücken, die eine genaue Nachverfolgung der Zugroute erlauben.

Geolokatoren: Die Zukunft des Vogelzugs

Bei kleineren Vögeln ist dies allerdings nicht möglich, da Tracker mit Batterien relativ schwer sind. Erst seit ein paar Jahren gibt es auch für Leichtgewichte unter den Vögeln eine Lösung: sogenannte Geolokatoren, weniger als ein Gramm wiegen.

Diese zeichnen, auf wann Sonne auf- und untergeht und wann sie am höchsten steht. Mit diesen drei Werten kann ungefähr bestimmt werden, wo sich Vögel befinden. In der Schweiz wurden Geolokatoren im Jahr 2008 zum ersten Mal eingesetzt.

Im Gegensatz zu GPS speichern solche Geolokatoren Daten, ohne sie zu senden, benötigen daher nur kleine leichte Batterie, dafür muss man nach ihrem Zug wieder finden, um Daten auszulesen, entwickelt wurden Lokatoren von Berner Fachhochschule.

Neuste Modelle von Geolokatoren zeichnen nebst dem Licht auch die Aktivität der Vögel und den Luftdruck auf. Damit gewinnen Forschende der Vogelwarte Sempach im Moment viele neue Erkenntnisse.

Erst kürzlich fanden sie zum Beispiel heraus, dass Wiedehopfe, anders als zuvor angenommen, hauptsächlich nachts ziehen.