16'500 Franken: Umsatz-Löhne führen bei Kellnern zu «Missgunst»

In Zürich hat ein Kellner dank Umsatzentlöhnung 16'500 Franken in einem Monat verdient. Ein System, das für andere Gastronomen nicht in Frage käme.

Gastronomen befürchten Qualitätseinbussen, wenn die Kellner Umsatzentlöhnung haben, weil sie dann einander im Stress nicht aushelfen. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • 16'500 Franken hat ein Kellner in Zürich im Juni verdient – Rekord.
  • Dies hat er dank Umsatzentlöhnung erreicht. Doch das System ist umstritten.
  • Dadurch arbeite man nicht als Team, finden andere Gastronomen.

Beim Zücher Gastro-Unternehmer Michel Péclard seien die Umsätze und Löhne in die Höhe geschnellt. Grund dafür sei der neue Umsatzlohn, den er bei einigen seiner Mitarbeiter eingeführt hat, sagt Péclard.

Denn: Die Servicefachangestellten erhalten sieben bis acht Prozent von dem, was sie in die Kasse eintippen. Und können so ihren vertraglich garantierten Mindestlohn von 3750 Franken teils massiv aufbessern.

Im Juni hat es ein Kellner damit gar auf einen Lohn von 16'500 Franken geschafft. 8000 bis 12'000 Franken Monatslohn seien der Schnitt bei den «Umsatzlöhnern», so Péclard. Zu seinen Betrieben gehören etwa die Pumpstation, das Fischers Fritz und der Mönchhof am See.

Umfrage

Haben Sie schon einmal im Service gearbeitet?

Ja.
44%
Nein.
56%

Was für Michel Péclard das neue Erfolgsrezept ist, kommt für andere Gastro-Betriebe nicht in Frage. «Das ist nicht unsere Philosophie», sagt etwa Michel Gygax von der KG Gastrokultur GmbH mit mehreren Restaurants in und um Bern.

Grund: «Wir wollen nicht allzu aufdringlich verkaufen», präzisiert er. Man versuche, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Das würde sich ausbezahlen. «Es hat sich in der Branche herumgesprochen.»

Man müsse aber auch beachten, dass Péclard viele Sommerbetriebe an wichtigen Standorten führe, «die extrem rauschen», sagt Gygax. Solche Betriebe wie er würden die wenigsten besitzen.

«Alle wollen das Paar mit der Rolex bedienen»

Als langjähriger Gastro-Manager kennt Tobias Burkhalter von der Berner Burkhalter Group das Umsatzlohn-System aus eigener Erfahrung. «Es hat leider auch zu Missgunst geführt», sagt Burkhalter, der unter anderem zwölf Jahre Pächter des Kultur Casinos Bern war. Denn es könne dazu führen, dass die Kellner einander die Gäste abluchsen. «Alle wollen das Paar mit der Rolex am Fenster mit Blick auf den See bedienen».

In seinen Betrieben wie dem Fähribeizli oder dem Della Casa in Bern soll der Umsatz als Team generiert werden. «Wir setzten auf Qualität – dass man einander aushilft – und auf das Persönliche». Angst, dass Péclard nun alle guten Mitarbeiter abwerben könnte, hat er nicht nicht.

«Das System mag für gewisse Betriebe stimmen; bei uns aufgrund gewisser Gefahren nicht.» Er setze auf Nachhaltigkeit und konstant faire Fixlöhne und allfällige Boni bei erfolgreichem Geschäftsgang.

«Fast ein Ding der Unmöglichkeit»

Auch der Verband Gastro Stadt Zürich sieht die Umsatzentlöhnung als «kritisch» an, wie Präsident Nicolas Kern auf Anfrage erklärt. «Es ist nur dann ein gescheites System, wenn alle davon profitieren können», so Kern, der mit der Wirtschaft Degenried selbst ein Restaurant in Zürich führt.

Der Lohn von 16'500 Franken bei einer Umsatzbeteiligung von sieben bis acht Prozent macht Kern stutzig.

Denn: «Solche Zahlen während geregelter Arbeitszeiten zu erreichen, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit.» Er habe deshalb Michel Péclard eine Mail geschrieben, damit dieser ihm die Zahlen erklären könne.

«Stärkerer Anreiz für Zusatzverkäufe»

Der Verband Gastro Suisse sieht es pragmatisch: «Als Arbeitgeber muss man heute attraktive Konditionen bieten, sonst findet man niemanden mehr», erklärt der stellvertretende Direktor Patrik Hasler-Olbrych auf Anfrage. Umsatzlöhne könnten ein Ansatz sein. «Das Personal bekommt dadurch ein stärkeren Anreiz, Zusatzverkäufe zu generieren, was in vielen anderen Branchen auch üblich ist.»

Und im Gastgewerbe sei es ja heute schon üblich, dass man den Gästen nach dem Essen zum Beispiel noch eine Dessertkarte anbiete und auf Hausspezialitäten hinweise. «Der Gast entscheidet dann immer, was er gerne konsumieren möchte.»