Alle Nachtbusse haben Security an Bord – ausser die in Bern

Als eine Leserin von Bern nach St. Gallen zieht, staunt sie über Security im Nachtbus. Tatsächlich ist Bern aber die Ausnahme. Das sorgt für Unverständnis.

In Bern, Biel BE, Solothurn, Thun BE und Interlaken BE verkehren die Moonliner-Busse. Im Gegensatz zu anderen Schweizer Nachtbussen ohne Security-Personal an Bord. - zvg

Das Wichtigste in Kürze

  • In Schweizer Nachtbussen gibt es Security, ausser in Bern und Solothurn.
  • Das Sicherheitspersonal begleitet die Nachtbusse teilweise seit Jahrzehnten.
  • Frauen fordern jetzt auch in Bern mehr Sicherheitsmassnahmen im ÖV.

Nachtbusse sollen Nachtschwärmer schnell und sicher nach dem Ausgang nach Hause bringen. Doch: Die Fahrten mitten in der Nacht durch die schlafende Schweiz können schnell unheimlich werden. Besonders dann, wenn der Bus quer übers Land tuckert – und mit jedem Halt immer weniger Leute im Bus sind.

«Mir wird da unwohl», sagt Sophie E.* (25). «Wenn etwas passiert, ist niemand zur Stelle. Es erscheint mir unmöglich, dass der Busfahrer alle unangenehmen Situationen mitbekommt. Und selbst wenn, könnte er vermutlich nicht viel ausrichten», vermutet sie.

Die Bernerin zog kürzlich nach St. Gallen – und stellt dort einen entscheidenden Unterschied zu Bern fest, der ihr Sicherheitsempfinden fördert. «Hier fährt in jedem Nachtbus ein Security-Typ mit. Das gibt mir Sicherheit», sagt sie.

Alkoholisierte Passagiere führen zu «Belästigung»

Postauto-Sprecher Ben Küchler bestätigt gegenüber Nau.ch, dass am Wochenende jeweils ab 22.45 Uhr bis Betriebsschluss die Fahrten durch Sicherheitspersonal begleitet werden. Und zwar schon seit zehn Jahren, seit Postauto in St. Gallen Nachtkurse anbietet.

«Das Sicherheitspersonal unterstützt das Fahrpersonal, damit sich dieses ohne Ablenkung auf das Fahren konzentrieren kann», so Küchler.

Grund für die Einführung: Wenn die Nachtbusse verkehren, gibt es tendenziell mehr alkoholisierte Fahrgäste. «Dies kann mitunter zur Belästigung von anderen Fahrgästen oder auch des Fahrpersonals führen.» Dem wolle man entgegenwirken.

Umfrage

Fühlst du dich in Nachtbussen sicher?

Ja.
18%
Nein.
30%
Ich nehme nie den Nachtbus.
52%

Auch die Verkehrsbetriebe St. Gallen bestätigen, dass sie seit der Einführung des Nachtbus-Angebots Security-Teams einsetzen.

Die Mitarbeitenden erhalten zudem regelmässig Schulungen. «Dies umfasst auch spezielle Trainings zur Deeskalation und zur Reaktion in Notfällen», so Betriebsleiter Michael Augsburger. Man ermutige Fahrgäste und Mitarbeitende zudem, potenzielle Sicherheitslücken zu melden.

Eine Nau.ch-Umfrage zeigt: Security im Schweizer Nachtverkehr sind die Regel, nicht die Ausnahme.

So setzt etwa der Busbetrieb Aarau seit Beginn der Nachtbusfahrten 2002 Begleitpersonal ein. Im gleichen Jahr führte auch der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) eine Begleitung aller Züge am Abend ein.

Und auch die Verkehrsbetriebe Luzern und die Basler Verkehrsbetriebe verweisen darauf, dass seit Einführung des Nachtangebots Sicherheitsdienste im Einsatz sind.

Berner Nachtlinien-Betrieb sieht keinen Security-Bedarf

Die einzige grosse Ausnahme: die Nachtliniengesellschaft Moonliner, die im Raum Bern und Solothurn operiert. «Wir setzten in den Moonliner-Nachtbussen kein Sicherheitspersonal ein», bestätigt Geschäftsführerin Seraina Ziörjen gegenüber Nau.ch.

«Einzig am Bahnhofsplatz Bern sind zwei Kontrolldienstmitarbeiter von Bernmobil vor Ort, die eine Zusatzausbildung im Bereich Sicherheit haben.» Diese führen Fahrausweiskontrollen durch und können bei sicherheitsrelevanten Vorfällen herbeigezogen werden. «An den übrigen Hauptabfahrtorten (Biel/Bienne, Solothurn, Thun und Interlaken) und unterwegs in den Bussen gibt es das nicht.»

Ziörjen verweist darauf, dass mindestens halbjährlich alle sicherheitsrelevanten Vorfälle rund um den Mooliner-Betrieb ausgewertet werden. Dies dient dazu, um den Bedarf an weiteren Massnahmen zu prüfen.

Die Geschäftsführerin sagt aber: «Aktuell sind keine zusätzlichen Massnahmen geplant. Und wir dürfen grundsätzlich festhalten, dass die Lage während des Moonliner-Betriebs stabil ist.»

Das sorgt für Stirnrunzeln. «Man sollte nicht darauf warten, dass sich die Lage verschlechtert, sondern präventiv handeln», fordert Nau.ch-Leserin Sophie E.

Politikerin: «Security zur Prävention sinnvoll»

Ins gleiche Horn bläst die Berner Sicherheitspolitikerin und SP-Nationalrätin Andrea Zryd.

«Schon nur die Anwesenheit von Security-Personal kann einem die Angst nehmen. Gerade von Frauen, die alleine im ÖV unterwegs sind», sagt sie auf Anfrage von Nau.ch. Auch sie habe schon unangenehme Situationen im ÖV zu später Stunde miterlebt.

Andrea Zryd ist SP-Nationalrätin aus dem Kanton Bern. - zvg/Daniel Käsermann

«Der Einsatz von Begleitpersonal erscheint mir als präventive Massnahme sinnvoll – in der Hoffnung, dass nichts passiert», so Zryd.

Die Politikerin fände es schade, wenn man aus finanziellen Gründen auf Security-Personal verzichten würde. «Wenn Moonliner darauf verzichtet, obwohl alle anderen das so handhaben, braucht man eine plausible Erklärung.»

Auch Fabian Ilg, Geschäftsleiter der Schweizer Kriminalprävention (SKP), bestätigt: «Dass die Anwesenheit von Sicherheitspersonal das Sicherheitsempfinden steigert, ist selbsterklärend.»

Doch: «Ob auch bei Moonliner Security-Personal eingesetzt werden soll, ist eine wirtschaftliche Frage und wie diese Ressourcen finanziert werden sollen.» Die SKP gibt deshalb an die Nachtliniengesellschaft keine Empfehlung ab, dafür an die Fahrgäste der Berner und Solothurner Nachtbusse.

«Ohne Sicherheitspersonal wird empfohlen, nah dem Fahrer und nicht im hinteren Teil des Busses zu sitzen», so Ilg.

Moonliner: «Finanzielle Gründe spielen keine Rolle»

Moonliner-Geschäftsführerin Seraina Ziörjen weist auf Anfrage daraufhin, dass der Verzicht auf Sicherheitspersonal auf verschiedenen Grundlagen beruhe. Die Lagebilder, die Gefährdungsanalyse und die Sicherheitsausrichtung würden hierfür herbeizogen. «Finanzielle Gründe spielen dabei keine relevante Rolle», betont sie.

Sie sagt, dass sie die Forderung nach Sicherheitspersonal gut nachvollziehen könne. Um den hochfrequentierten Bahnhof Bern stelle man eine präventive Wirkung für das Sicherheitsempfinden durch die hohe Sicherheitspräsenz fest. Man setze sich deshalb «stets und intensiv mit diesem Thema auseinander».

Die Entscheidung, auf Security zu verzichten, habe keine finanziellen Gründen, betont Moonliner. - keystone

Eine Kundenumfrage aus dem Herbst 2023 gibt Moonliner in ihrer Abwägung offenbar recht. Demnach fühlen sich die Fahrgäste an den Haltestellen (3,8 von 5 Punkten) und in den Fahrzeugen (4,1 von 5) sicher.

In den letzten drei Jahren verzeichnete Moonliner rund 30 sicherheitskritische Vorfälle pro Jahr. Rund die Hälfte davon ging aufs Konto von Sachbeschädigungen wie Tags und Graffitis.

* Name von der Redaktion geändert.